Zur Kritik des Yaihingerschen Fiktionsbegriffs
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Zur Kritik des Yaihingerschen Fiktionsbegriffs.
Handelte es sich im zweiten und dritten Kapitel um eine
kritische Betrachtung der Fundamente der Yaihingerschen
Fiktionslehre, so sollen jetzt speziell die Merkmale des Fik
tionsbegriffs beleuchtet werden. Dabei nehmen wir zuerst
Bezug auf die bisher erschienenen Arbeiten zur Philosophie
des Als-Ob, um dann im nächsten Kapitel selbst das Verhält
nis der Merkmale zueinander und die verschiedenen Möglich
keiten der Festlegung des Fiktionsbegriffs zu erörtern.
Wir erwähnen zunächst die Arbeiten, die im allgemeinen
mit Vaihinger übereinstimmen, aber an Einzelheiten seines
Fiktionsbegriffs Kritik üben,
Spickerbaum 186 ) sagt, nachdem er ganz im Einklang
mit Vaihinger die Merkmale der Fiktion entwickelt hat, Vai
hinger betone das Unwirkliche der Fiktionen, da er ja nur
Empfindungen als wirklich betrachte. Lasse man aber diese
Voraussetzung fallen, dann sei eine andere Beurteilung der
Fiktionen möglich; auch bei Vaihinger seien Stellen, wo das
Reale der Fiktionen betont werde 187 ). Vaihinger wolle bei
allen Halbfiktionen etwas Reales annehmen; aber man könne
darüber hinaus sagen: „Es kann gar keine brauchbaren Fik
tionen ohne Realität geben“ 188 ). Das Gegebene nähere sich der
Fiktion durch eine seiner Eigenschaften. Diese sei das Reale in
allen Fiktionen und ihre Vernachlässigung könne noch schäd
licher sein, als das Übersehen der Abweichungen von der Wirk
lichkeit.
Spickerbaum meint 189 ): „Es legt sich damit die Vermutung
nahe, daß alle Fiktionen ihre großen Verdienste der Wissen
schaft und dem Leben eben durch das Reale, das in
ihnen enthalten ist, leisten können. Wenn Vaihinger das Reale
in den Fiktionen unberücksichtigt läßt, dann ist sein Fik
tionsbegriff selbst eine abstrakte Fiktion“; und nach
her 190 ) spricht er sogar von Fiktionen, die Erkenntnis-
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