Full text: Fiktionen in der Mathematik

Zur Kritik des V a i h i n g e r s c li e n F i k t i o n s b e g r i f f s 
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so deuten lassen, daß gewisse Fiktionen unbewußt entstünden. 
Das wird von späteren Autoren zum Teil viel stärker betont. 
So sagt O. Dempwolff 194 ), nachdem er die Merkmale der 
Fiktion nach Vaihinger wiedergegeben hat: „Dagegen fehlt 
offensichtlich das dritte Merkmal, daß die Fiktionen mit dem 
Bewußtsein der Fiktivität ausgesprochen werden, denn Vai- 
hinger gibt ausdrücklich zu, daß die Psyche solche Fiktionen 
unbewußt schaffe. Trotzdem wendet er keine neue Nomen 
klatur an, unterscheidet die unbewußten Fiktionen nur ge 
legentlich von den bewußten und läßt die Begriffe und Kate 
gorien ebenso wie die logischen Methoden als Fiktionen gel 
ten,“ Nachher meint Dempwolff allerdings, dieser Einwand 
lasse sich abschwächen durch Hinweis auf die schwankenden 
Grenzen zwischen bewußten, unterbewußten und unbewußten 
Denkvorgängen. 
Auch W. del Negro 195 ) wirft die Frage auf: Liegt noch 
eine Fiktion vor, wenn es sich um Gebilde handelt, die im Un 
bewußten entstehen? Darauf sind nach seiner Meinung ver 
schiedene Antworten möglich: a) eine radikal negative, wo 
nach Fiktionen unbedingt bewußt gebildet sein müssen; b) eine 
gemäßigt negative (wie sie etwa Dempwolff gibt); c) eine posi 
tive, die dem Gebiet des Unbewußten auch kompliziertere psy 
chische Phänomene zutraut. 
Nach W. del Negro steht Nietzsche auf letzterem Stand 
punkt. Er meint dann allerdings 198 ), die Wissenschaft 
habe es ausschließlich mit bewußten Fiktionen 
zu tun, Überzeugungen hätten in ihr kein Bürgerrecht, aber 
später 197 ) weist er wieder auf die Wichtigkeit der unbewußten 
Fiktionen hin; auch d i e Menschen benützten sie nach An 
sicht Nietzsches noch oft, die zur Einsicht des illusionären 
Charakters der Erkenntnis vorgedrungen seien; die Unbewußt 
heit der Fiktionen liege im biologischen Interesse. Walter del 
Negro glaubt, daß Vaihinger bei der Behandlung Nietzsches 
den unbewußten Fiktionen eine viel zu geringe Beachtung ge 
schenkt habe. 
Ganz eigenartig ist die Stellungnahme von Bernh. Fließ 198 )
	        
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