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Zur Theorie der Fiktione
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Die Richtigkeit dieser beiden Thesen sucht E, Boerma durch
zwei mathematische Beispiele aus dem Werk Vaihingers zu
illustrieren 206 ), wobei er wieder Kritik an dessen Darstellung
übt. Es ist interessant, daß auch E. Boerma betont: „Die
mathematischen Beispiele nehmen bei Vaihinger eine zentrale
Stellung ein und die hier vorliegenden Irrtümer zeigen sich in
den weiteren Konsequenzen auf dem Weg zum Fiktivismus
wieder“ 206 ).
Ein ähnliches Urteil können wir über die Arbeit von E.
Boerma fällen: Mathematische Beispiele bilden den Kern, und
die dabei unterlaufenen Irrtümer wirken sich in seiner logi
schen Theorie der Fiktionen aus, mit der wir uns nicht ein
verstanden erklären können, da sie auf Mißdeutung der mathe
matischen Probleme beruht.
Im ganzen ist die Stellungnahme E. Boermas zu Vaihinger
ähnlich der von Jörgensen 207 ); er sagt; „Die grundlegenden
guten Ideen sind Gegenstand einer unberechtigten Genera
lisation geworden, sie sind angewandt worden außerhalb des
Gebiets, wo sie Gültigkeit haben“ 208 ). Diese Generalisation sieht
er in der Fiktiverklärung des ganzen Denkens, in dem Schritt
von der Fiktionslehre zum Fiktivismus.
Auch R. Schmidt 209 ) sieht sich veranlaßt, den Fiktions
begriff zu modifizieren. Sein Haupteinwand richtet sich gegen
das Merkmal bewußt falsch. Die Prädikate wahr und
falsch könnten nur echten Urteilen zukommen; die Fiktion sei
aber kein Urteil, sondern ein Gebilde, das indifferent zu jenen
Prädikaten stehe. So meint er 210 ): Für den, der einer feineren
Analyse fähig ist, kann die Fiktion einen solchen indifferenten
Charakter haben; aber nicht immer tritt sie in dieser Form
auf. Man würde also nicht mehr von der Falschheit oder dem
Bewußtsein der Falschheit wissenschaftlicher Fiktionen reden,
sondern von ihrer logischen Neutralität und dem Bewußtsein
derselben. Damit sei dann auch gesagt, daß man in diesem
Teil der Vaihingerschen Theorie keinen andern Wahrheits-
(und Wirklichkeits-)begriff brauche, als den der hergebrachten
Logik.