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Zur Kritik des Vaihingerschen Fi k t i o n s b e grif f s
Die These von der logischen Neutralität sei gestellt in bezug
auf irgendeine Wirklichkeit, von der gesagt sei, daß das Urteil
tatsächlich, die Hypothese möglicherweise mit übereinstimme.
Es sei gleich hier bemerkt, daß dieses Moment der Neutra
lität schon von Husserl erörtert worden ist 211 ); er spricht von
einer „Neutralitätsmodifikation“ des Bewußtseins, von der er
aber eine gewisse Glaubensmodifikation unterscheidet, die der
Annahmen. Während die eigentlichen, nicht neutralisierten
Noesen ihrem Wesen nach einer „Rechtsprechung der Ver
nunft“ unterliegen, gibt für die neutralisierten die Frage nach
Vernunft und Unvernunft keinen Sinn 212 ). Ebenso, korrelativ,
für die Noemen. Das bloße Sich-denken „setzt“ nichts, es ist
kein positionales Bewußtsein. Aber jedes bloße Sich-denken
kann in ein Annehmen, Ansetzen übergeführt werden und diese
neue Modifikation unterliegt der unbedingt freien Willkür.
Ausführlicher noch ist das Problem von A. Meinong in seinem
Werk „Über Annahmen“ behandelt worden.
Als Aufgaben für die Gegenwart nennt R. Schmidt folgende:
1. Verfeinerung des Vaihingerschen Sprachgebrauchs.
2. Abbau der Vaihingerschen Einteilung der Fiktionen, da
diese zu äußerlich und logisch mangelhaft sei; sie soll ersetzt
werden durch eine Klassifikation nach der logischen Struktur.
3. Die logische Theorie der Fiktionen müsse Schritt halten
mit den Fortschritten der Logik.
4. Auch der Mechanismus der Fiktionen, die Methode der
doppelten Fehler erfordere eine bessere Durcharbeitung, In
dieser Methode sieht R. Schmidt das Kernproblem; er meint
aber, klar zeigen lasse sie sich nur an mathematischen Fik
tionen.
In eine wesentlich neue Beleuchtung rücken die Fiktionen,
wenn wir sie nun zu den Annahmen A. Meinongs in Beziehung
setzen.
Nach A. Meinong 213 ) ist die Annahme ein Zwischen
ding zwischen Vorstellung und Urteil. Ist das Urteil charak
terisiert durch ein Glaubens- oder Überzeugungsmoment und
eine bestimmte Position zwischen ja und nein, so handelt es
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