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Zur Theorie der Fiktionen
habe. Die den Annahmen vorliegende Überzeugung bewirke
eine Verschiedenheit der Annahmen: Man könne reden von
Annahmen mit vorliegendem Urteil über Wirklichkeit, Mög
lichkeit, Notwendigkeit und deren Gegenteil. Auf was es an
kommt, zeigt Spengler an einem Fall der Nichtwirklichkeit.
Für die Kritik des „fiktiven Urteils“ ist festzuhalten, daß als
Gegenstand des Nachsatzes eine Annahme — nicht ein Urteils
objekt in dieser hypothetischen Periode der Nichtwirklichkeit
vorliegt. Die uns beschäftigende Denkoperation ist eine Ver
gleichungsrelation zwischen zwei Objektiven, einem Urteils
und einem Annahmeobjektiv.
Auch an der Gegenüberstellung von Fiktion und Hypothese
bei Vaihinger übt Spengler Kritik und meint, Vaihinger sage
S. 247 das Richtige:
Die Hypothese sei eine Annahme mit dem Bewußtsein ihrer
problematischen Modalität, wenn man Annahme im Meinong-
schen Sinne nehme. Die hier verwendete Annahme sei eine
solche mit einem vorliegenden Urteil über Möglichkeit und
nur in dieser Annahme liege die Hypothese. Dagegen sei die
Fiktion eine Annahme mit vorliegendem Urteil über Nicht
wirklichkeit,
So erscheinen Spengler die Vaihingerschen Fiktionen als
Exemplifikationen von Annahmen, wobei er aber betont, daß
Vaihinger die Fiktionen viel zu weit ausgedehnt habe, weil er
den Begriff des Wirklichen nicht näher bestimmt habe.
Es ist nun interessant, daß Spengler, nachdem er gezeigt
hat, daß die künstliche Einteilung zwar fiktiv, aber keine Fik
tion sei, daß dagegen die abstrahierende Tätigkeit bei der Bil
dung der Allgemeinbegriffe nicht fiktiv genannt werden könne
und bei den Kategorien keine Fiktionen vorliegen, hinsichtlich
der Mathematik die üblichen Behauptungen der Fiktivität
ihrer Grundbegriffe usw. auf stellt 222 ). Das zeigt klar die Not
wendigkeit einer Auseinandersetzung mit solchen Anschau
ungen.
Zum Schluß seien hier noch einige Autoren angeführt, die
teils in der Einteilung, teils in der Definition der Fiktionen von