Full text: Fiktionen in der Mathematik

Zur Theorie der Fiktionen 
Arten von Wahrheit festzustellen, die theoretische und die 
praktische; die Fiktionen seien theoretisch falsch, aber 
praktisch wahr. 
Auch die „Wirklichkeit“ ist nach A. Müller bei H. Vaihinger 
nicht genügend scharf Umrissen; im übrigen zeigt er, daß es 
die Mathematik mit der Wirklichkeit, die Vaihinger meint, gar 
nicht zu tun habe. Er gibt sodann einen „Ansatz zu einer 
Theorie der Fiktion“, in dem er den unklaren Fiktionsbegriff 
Vaihingers durch einen klaren, metaphysikfreien ersetzen will. 
Seine Definition lautet: 
Fiktion ist jeder nicht wirkliche Gegen 
stand, der benutzt werden kann, um die Er 
kenntnis der Wirklichkeit zu erleichtern. Da 
bei bemerkt Müller noch besonders: „Ein Merkmal der Fik- 
tivität eines Gegenstandes ist die Nichtwirklichkeit 
innerhalb des Bereiches, zu dem er alsGegen- 
stand gehört.“ 
E. Study sieht im Gegensatz zu A. Müller die Idealisie 
rungen als eine besondere Art von Fiktionen an, in denen an 
Stelle der in ihrer ungeheuren Verwicklung unserem Verstände 
unfaßbaren, physischen Wirklichkeit eine (immer sehr viel) 
einfachere ideelle Wirklichkeit gesetzt wird und zwar in der 
Physik die Wirklichkeit der Mathematik. Er hält die Unter 
scheidung von Fiktion und Idealisierung auf Grund der sprach 
lichen Form bei A. Müller nicht für stichhaltig und kündigt 
eine Diskussion des Fiktionsbegriffs in der zweiten Auflage 
seiner „Realistischen Weltansicht“ an 230 ). 
B. Russell scheint den Begriff der Fiktion etwa so zu 
fassen wie E. Müller, wenn er in der Einleitung in die mathe 
matische Philosophie schreibt 231 ): Später werden wir zeigen, 
daß die Mengen als logische, aus definierenden, charakteristi 
schen Eigenschaften konstruierte Fiktionen betrachtet werden 
können. Für unsere jetzigen Zwecke bedeutet es aber eine Ver 
einfachung, wenn wir so tun, als ob die Mengen wirkliche 
Dinge wären. 
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