Formen des Fiktionsbegriffs
2. Sie sind apriorisch, aber nur normativ zu verstehen.
Sie schreiben vor, wie gedacht werden soll; ihr normativer
Charakter kann dann rein konventionalistisch oder aber
ethisch fundiert sein.
3. Die logischen Sätze sind apriorisch, insofern sie dem
reinen Denken entspringen, aber es fehlt ihnen jede Beziehung
zu einem Außersubjektiven, Transzendenten, denn auch die
Wirklichkeit ist nur ein Produkt des logischen Denkens (Denk
immanenz; vgl. Cohen und Natorp).
4. Den logischen Sätzen kommt absolute Geltung zu; soll
aber der Begriff des Geltens Zustandekommen, so muß ein
Geltung-setzendes Denken als subjektive Seinssphäre und ein
Verwirklichungsgebiet als transsubjektive Seinssphäre ge
dacht werden (transzendentaler Realismus; J. Volkelt).
5. Die logischen Sätze sind apriorisch, unabhängig von jeder
Erfahrung, aber auch unabhängig von jedem denkenden Sub
jekt. Es gibt nur eine Logik und ihre Sätze sind apodiktisch,
nicht im Sinne einer ethischen oder sonstigen außerlogischen
Norm, sondern im Sinne absoluter logischer Geltungen (logi
scher Absolutismus).
Für jede dieser Auffassungen kann man Vertreter in der
Wissenschaft angeben und je nach dem eingenommenen
Standpunkt bekommen wir für das Merkmal „widerspruchs
voll“ oder „falsch“ einen anderen Sinn. Es muß aber betont
werden, daß nicht nur in der Mathematik, sondern auch in der
Philosophie eine fruchtbare Deduktion ohne klar umrissene
Voraussetzungen unmöglich ist. Manche Unklarheiten im
Vaihingerschen System haben ihren Grund eben darin, daß die
Voraussetzungen nicht einwandfrei feststehen, oder daß sich
dieselben während der Ausführungen fast unmerklich ändern.
Dazu kommt ein weiteres: Wenn man bei gewissen, von
Vaihinger als echte Fiktionen angeführten Beispielen nach den
logischen Widersprüchen fragt, so wird man keinen Aufschluß
darüber finden. Man hat dann nur die Wahl, entweder die
betreffenden Beispiele nicht als echte Fiktionen gelten zu
lassen, oder aber die Voraussetzungen für echte Fiktivität zu
IOI