Zur Theorie der Fiktionen
die beobachteten Sukzessionen und Koexistenzen der Phäno
mene, alles andere ist Fiktion.
Aber auch die Frage, ob ein Gebilde zweckmäßig sei oder
nicht, ist nur in den seltensten Fällen eindeutig und einwand
frei zu beantworten, so daß dadurch die Grenzen zwischen der
wissenschaftlichen Fiktion und mehr oder weniger wertlosen
Phantasiegebilden verschwommen werden. Dazu erscheint die
Anwendung und Bildung fiktiver Gebilde als eine Art Ge
dankenexperiment, bei dem über die Zweckmäßigkeit meist
nicht bei der Bildung, sondern erst nach der Anwendung ent
schieden werden kann. Yaihinger müßte also eigentlich sagen:
Nicht ein irgendwie zustandegekommenes psychisches Gebilde,
das die vorausgehenden notwendigen Merkmale der Fiktion
aufweist, soll als solche bezeichnet werden, sondern nur das
jenige, das trotz seiner Unwirklichkeit oder seiner inneren
Widersprüche mit vollem Bewußtsein beibehalten wird, weil
es einem gewissen Zweck in ganz besonderer Weise dient.
Schließlich wurde von Vaihinger zur Feststellung der Fik-
tivität eines Gebildes auch noch die sprachliche Form heran
gezogen, wenn er sie auch nicht unter den wesentlichen logi
schen Merkmalen der Fiktion aufführt. Es ist zuzugeben, daß
bei wissenschaftlichen Fiktionen, die mit vollem Bewußtsein
ihrer Fiktivität verwendet werden, die sprachliche Form meist
bestimmte Eigentümlichkeiten zeigt. Aber diese sprachliche
Form als Einteilungsgrund der Fiktionen bzw. als Mittel zur
Unterscheidung von Fiktionen, Idealisierungen und Hypo
thesen zu nehmen, wie es A, Müller durchzuführen versucht,
dürfte den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen 244 );
die sprachliche Form ist dazu doch zu wandlungsfähig.
B.
Wenn nun hier zum Abschluß und als Ergebnis der ganzen
Diskussion ein Versuch gemacht wird, verschiedene mögliche
Formen des Fiktionsbegriffs herauszuheben und möglichst
streng gegeneinander abzugrenzen, um eine brauchbare Basis
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