Formen des Fiktionsbegriffs
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zweifellos enge Beziehungen zu der Fiktion Ai, denn auch hier
wird wieder das Nichtwirkliche betont. Dazu kommt, daß bei
dieser philosophischen Richtung die Grenzlinien zwischen dem
Psychologischen und Logischen nicht scharf sind (vgl. „Psy
chologismus“); dies dürfte auch für Vaihinger gelten trotz
seiner wiederholten Forderung, Denken und Sein streng zu
scheiden.
Betrachten wir nun die logischen und mathematischen Sätze
zwar als apodiktisch und denknotwendig, aber entweder im
Sinne des Anthropologismus, als bedingt durch die
psychische Organisation des Menschen, oder im Sinne des
Perspektivismus, so können sie immer noch fiktiv sein. Fassen
wir fiktiv wie Vaihipger im Sinne von falsch: Wissenschaft
liche Fiktionen sind Vorstellungsgebilde, welche praktisch
notwendig und zweckmäßig, aber theoretischfalsch
sind 256 ), so müssen wir, um keinen Zirkelschluß zu machen,
uns darüber klar sein, daß wir zwei verschiedene Wahrheits
begriffe verwenden: wahr im Sinne von zweckmäßig und wahr
im Sinne der gewöhnlichen Logik. Dieser Fiktionstypus ist
etwa gleichbedeutend mit Ci.
Hier handelt es sich um eine Form des Wahrheitsbegriffs,
die Nietzsche mit den Worten; „Wahrheit für mich“ treffend
charakterisiert. So nahe der Fiktionsbegriff, der sich aus
dieser Auffassung herleiten läßt, der Fiktion Ci kommt, soll
er doch von ihr unterschieden werden, weil im Sinne des
Anthropologismus und Perspektivismus das Subjektive falsch
sein kann, aber nicht notwendig falsch sein muß. Wo also in
folge dieser philosophischen Voraussetzungen logische Gebilde
für fiktiv erklärt werden, sprechen wir vom Fiktions
typ u s C 2 .
Naturgemäß schließen wir hier einen Fiktionstypus an, der
sich aus der konventionalistischen Einstellung
zur Logik und Mathematik herleitet. Denken wir
uns irgendein spezielles Axiomensystem als Grundlage eines
Wissenschaftsgebiets, etwa eines geometrischen Systems, so
hat es hinsichtlich der einzelnen Axiome keinen Sinn, von