Full text: Fiktionen in der Mathematik

Die „Mathematischen Fiktionen“ in der „Phil, des Als-Ob' 
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H, V aihinger weist auch das CartesianischeKoordi- 
natensystem und überhaupt alle Hilfslinien der Geometrie 
den Fiktionen zu, aber hiebei zeigt sich schon eine andere 
Argumentation. Dieses Koordinatensystem sei nur ein be 
quemes Hilfsmittel, das von uns zu den Dingen erst hinzu 
gedacht werde. Der Sachverhalt, daß wir es hier nur mit einem 
Gerüst zu tun haben, das nur provisorisch zur Aushilfe ange 
bracht werde, trete meist ganz zurück; und doch sei die Carte- 
sianische Neuerung nur eine neue, auf Ziehung von Hilfs 
linien beruhende Methode, um Inhalt, Umfang usw. der gesetz 
mäßigen, krummlinigen Figuren zu finden. Es zeige sich das 
darin, daß am Schlüsse beim wirklichen Resultat jene 
Hilfsgrößen herausfallen. Das Koordinatensystem sei eine 
willkürliche, aber ungemein scharfsinnige Einschiebung, durch 
deren Hilfe uns eine Menge von Bestimmungen erst ermög 
licht werden. Yaihinger sagt: „Die Cartesianische Fiktion... 
besteht also in einer Einschiebung. Wir können jedes geo 
metrische Gebilde so betrachten, als ob es von einem Koor 
dinatensystem abhängig wäre.“ 
Ähnliches soll nun auch von den Hilfslinien der elemen 
taren Geometrie gelten; auch hier spiele dieses Hilfsmittel eine 
ausschlaggebende Rolle. Die Hilfslinien bezwecken eine durch 
aus künstliche, fiktive Zerlegung. So werde beim Beweis des 
Satzes, daß die Winkelsumme im ebenen Dreieck 2 R beträgt, 
eine Hilfslinie gezogen, die nach dem Beweis wieder heraus 
falle; schon Schopenhauer habe sich gegen diese Methode ge 
wandt und statt der Umwege direkte anschauliche Beweis 
führungen verlangt. Bei der Verwendung solcher Hilfslinien 
stellt Vaihinger einen Doppelprozeß fest: Hinzufügung oder 
Einschiebung und Wiederwegfail einer willkürlichen Zwi 
schenbestimmung. Man betrachte die Figuren so, als ob jene 
Hilfslinien wirklich zu ihnen gehörten, schiebe also imagi 
native Gebilde ein, die zur Sache gar nicht gehören. 
So sieht Vaihinger auch in der willkürlichen konventionellen 
Einteilung des Kreises in 360 Grade eine fiktive Determination 
und meint dann, das Messen beruhe ebenfalls auf einer
	        
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