Full text: Fiktionen in der Mathematik

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Die „Mathematischen Fiktionen“ in der „Phil, des Als-Ob“ 
vorgestellt wird, ein Etwas, das schon in ein Nichts über 
geht“ 276 ) usw. 
Dasselbe sei der Fall mit der Fläche, der Linie, dem Punkt. 
Hier bringt Vaihinger wieder ganz analoge Erörterungen. Bei 
der Fläche werde abstrahiert von demjenigen Material, das die 
Fläche bilde, die formale Beschaffenheit werde allein für sich 
genommen und von der Imagination verselbständigt. Die Linie 
als Grenze zweier Flächen wird ähnlich behandelt. Der Punkt 
wird eine in sich haltlose und widerspruchsvolle Idee, ein trotz 
seines Minimums monströser Begriff, ein Etwas, das schon 
ein Nichts, ein Nichts, das doch noch ein Etwas sein soll, ge 
nannt. Fläche, Linie und Punkt seien Abstraktionen, durch die 
Imagination verselbständigt, irreale Vorstellungen, Fiktionen. 
Auch diesen Gebilden gegenüber versucht Vaihinger die 
Vorstellung des „fließenden Abnehmens vom Realen bis zu 
Null“ zur Geltung zu bringen, ähnlich wie beim absoluten 
Raum. Er läßt einen Körper nach einer Dimension abnehmen, 
aber im letzten Augenblick vor dem Verschwinden ins Nichts 
soll der Prozeß ausgesetzt werden; die so erhaltene unendlich 
dünne Platte sei dann „ein Etwas, das doch nichts mehr ist“ 
usw. Dann meint er: „Streng begrifflich hat die Fläche keine 
dritte Dimension, die Linie keine zweite Dimension. Statt 
dessen können wir auch sagen: Das Geleugnete ist beidemal 
da, nur in unendlich kleinem Maße“ 277 ). Vor dem Forum der 
strengen Logik seien diese Gebilde als widerspruchsvoll zu 
verurteilen und aus dem Kreis der Realvorstellungen hinaus 
zuweisen. 
Schließlich wird von H. Vaihinger noch ein weiterer Gedanke 
herangezogen: Während der Mathematiker nur mit einem 
vollkommenen Kreis rechne, gäbe es in der Natur keinen 
solchen. Ein absolut vollkommener Kreis sei eine willkürliche, 
aber zweckmäßige, ja notwendige Fiktion des menschlichen 
Denkens, ebenso seien alle anderen in absoluter Vollkommen 
heit gedachten mathematischen Figuren derartige ideelle Fik 
tionen, Auch in diesem Sinn sei die Mathematik wesentlich auf 
Fiktionen gegründet.
	        
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