Die „Mathematischen Fiktionen“ in der „Phil, des Als-Ob 1
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Linie mit dem Krümmungsmaß 0 betrachte. Dann sagt Vai-
hinger: „Dieselbe Methode ist beteiligt bei der Bildung der
negativen Zahlen, der Bruchzahlen, der irrationalen und ima
ginären Zahlen; schon die Bezeichnung dieser Gebilde deutet
ihre logische Bedeutung an: es sind fiktive Vor Stellungs
gebilde, welche für die Erweiterung der Wissenschaft und Ver
allgemeinerung ihrer Resultate einen hohen Wert haben, trotz
der klaffenden Widersprüche, welche in diesen Begriffen ent
halten sind“ 279 ). „Das Grundprinzip ist eben auch hier eine
unberechtigte Anwendung und Übertragung einer logischen
Methode auf Fälle, die streng genommen nicht darunter zu
subsumieren sind, oder die Betrachtung solcher Gebilde als
Zahlen, welche gar keine rechten Zahlen sind. Negative Zahlen
sind ein Selbstwiderspruch, wie alle Mathematiker zugeben;
es ist eine Ausdehnung der Subtraktion über das Maß der
logischen Anwendungsmöglichkeiten derselben hinaus; die
Bruchzahlen sind das Produkt derselben Methode bei der
Division und die irrationalen Zahlen bei der Radizierung; das
monströseste Zahlgebilde dagegen sind die imaginären Zah
len, denen die Konstruktion durch Gauß, Drobisch u. a. nichts
von ihrer fiktiven und widerspruchsvollen Natur genommen
hat.“ Wenn dann Vaihinger bemerkt: „Überhaupt beruht die
ganze Mathematik, auch die Arithmetik, auf rein imagina
tiver Basis, ebenso das Messen und ähnliche mathematische
Methoden“, so klingt wieder das Motiv heraus, das wir schon
bei den mehrdimensionalen Räumen feststellten: die Über
tragung ist nur anwendbar, wenn die gegebenen Spezialfälle
selbst nur Produkte der Einbildungskraft sind. „Daß die ganze
Zahlenbildung imaginativ sei, lehrt nicht bloß die Mög
lichkeit der unendlich vielen denkbaren Zahlensysteme, son
dern auch die Tatsache der Unendlichkeit der Zahl selbst“,
meint Vaihinger.
Besonders hinsichtlich der imaginären Zahlen läßt uns
H. Vaihinger über seine Ansicht nicht im Zweifel. Außer der
schon zitierten Äußerung finden wir in der „Philosophie des
Als-Ob“ noch eine ganze Anzahl ähnlich lautender; so sagt