Full text: Fiktionen in der Mathematik

auch F und F' zusammenfallen und doch eigentlich nicht Zu 
sammenfällen. Es wäre noch eine Distanz da, die aber doch 
keine eigentliche Distanz mehr wäre, weil sie eben nicht mehr 
endlich ist. Fingieren wir einmal diesen ganz chimärischen 
Fall. Was hätte ich damit bezweckt, was erreicht? Es war uns 
dabei darum zu tun, einen stetigen Übergang zwischen Ellipse 
und Kreis zu statuieren..., den Kreis als einen Spezialfall der 
Ellipse zu denken“ usw. 
Wir verzichten auf die Wiedergabe der weiteren Argumen 
tation Vaihingers zu diesem Beispiel und zitieren nur noch 
einige Äußerungen über die Rolle, die das Unendlich-Kleine 
dabei spielen soll. Vaihinger meint, es handle sich um eine 
erzwungene Analogie, um eine unberechtigte Übertragung: 
„ich tue, als ob der Kreis eine Ellipse wäre, ich erreiche dies 
durch die Vorstellung, als ob es eine unendlich kleine 
Distanz gäbe — ich bewege mich also in lauter fingierten Vor-, 
Stellungen, aber es sind fruchtbare Fiktionen“ 286 ). Der Begriff 
des Unendlich-Kleinen diene dazu, Gebilde, welche nahe ver 
wandt sind... als gleichartig fassen zu können; damit aber, 
durch Stiftung einer gezwungenen Analogie, zur Verein 
fachung des Denkens. „Der Begriff des Unendlich-Kleinen 
muß freilich eben darum widerspruchsvoll sein, ein Zwitter 
ding zwischen Etwas und Nichts“, meint Vaihinger. „Im ,Un 
endlich-Kleinen* steckt eben das Nichts und das Etwas zu 
gleich. Als Vermittlungsbegriff muß das Unendlich-Kleine 
jene kontradiktorischen Bestimmungen in sich vereinigen — 
das ,Unendlich-Kleine* ist somit eine echte und rechte Fik 
tion** 287 ). 
Mit dieser Bedeutung des Unendlich-Kleinen als Vermitt 
lungsbegriff zwischen den verschiedenen Arten von Kegel 
schnitten hat Vaihinger eine andere als durchaus gleichartig 
zusammengenommen, die wir aber streng davon unterscheiden 
wollen, da es sich um ein wesentlich andersartiges Problem 
handelt. Vaihinger sagt, so wie bei den Arten von Kegel 
schnitten sei es auch mit den einzelnen Arten der Dimensionen 
und der in ihnen enthaltenen Gebilde: Linie, Fläche, Körper
	        
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