Die „Mathematischen Fiktionen“ in der „Phil, des Als-Ob
Begriffsbildungen und tragbare Fundamente der ganzen
Disziplin bis heute noch nicht abgeschlossen ist; ja man kann
sogar behaupten, daß das Bedürfnis der Klärung in diesem
weiten Feld mathematischer Betätigung in der Zeit, da Vai-
hinger sein Werk schrieb, vielfach noch kaum empfunden
wurde und die prinzipiellen Auseinandersetzungen über diese
Grundfragen erst in den letzten Jahrzehnten sich abspielten.
So sind die diesbezüglichen Ausführungen Vaihingers histo
risch bedingt und entsprechend zu werten, und unsere spätere,
vielfach ablehnende Stellungnahme zu den hier dargelegten
Auffassungen richtet sich vielmehr gegen eine früher weit
verbreitete Art der Darstellung dieser Probleme, die auch
heute noch gelegentlich zu finden ist, als gegen Yaihinger
selbst. H. Yaihinger knüpft seine Ausführungen zunächst an
das Fermatsche Maximumproblem an, eine Aufgabe, die ver
langt, eine Strecke a so in zwei Teile x und (a —x) zu zer
legen, daß x 2 (a — x) ein Größtes werde. Er meint, Fermat
löste die Aufgabe durch folgenden Kunstgriff: Statt x setze er
x -|- e, einen willkürlichen Teil, der größer ist als der ver
langte. Den Ausdruck (II) (x -)- e) 2 (a — x — e) vergleiche Fer
mat mit dem Ausdruck (I) x 2 (a — x), „als wenn beide
gleich groß wären, ob sie es gleich nicht sind“.
Fermat setze also (I) = (II) und erhalte so
2ax + ae = 3x J + 3xe -j- e 2 ;
den oben gemachten Fehler mache er wieder rückgängig,
indem er sage: „Jenes x-J-e war eine bloße Fiktion zur
Einfädelung der Rechnung; faktisch soll ja doch I — II sein;
das ist aber nur möglich, wenn e = 0 ist, usw. So erhalte
Fermat
2 a x = 3 x 2 und daraus
2 a
~3~‘
H. Yaihinger meint, in diesem Beispiel habe man „ein
typisches Bild alles fiktiven, alles diskur
siven Denkens“. Dann nimmt er nochmals zu dem Ge
dankengang Stellung und interpretiert ihn so: