Full text: Fiktionen in der Mathematik

Die „Mathematischen Fiktionen“ in der „Phil, des Als-Ob“ 
147 
Aus den Äußerungen Vaihingers über die Infinitesimal 
rechnung leitet E. Boerma drei verschiedene Auffassungen 
derselben ab: 
1. als fiktives System; 
2. als regularisiertes System, und zwar: 
a) rein nominalistisch: Fermats e eine Rechenmarke, die 
bald etwas, bald nichts ist, 
b) mit Betonung der Bedeutung „Etwas“; e eine oo 
kleine Größe, 
c) mit Betonung der Bedeutung „Nichts“; die Differen 
tialrechnung ein Rechnen mit Nullen; 
3. als Grenz verfahren; dies sei aber nicht scharf getrennt 
von 2 b und sei nach Vaihingers Ansicht auch nicht ein 
wandfrei. 
Indem wir die weitere Diskussion dieser Fragen auf später 
verschieben, wollen wir aus den umfangreichen Darlegungen 
Vaihingers zu dem Problem der Infinitesimalrechnung nur 
noch wenige wesentliche Gedanken herausheben. Betonte er 
bei der Kreisberechnung, daß die Gleichsetzung eines Kreis 
bogens mit einer Vieleckseite das Falsche sei, und daß dieser 
Fehler dadurch rückgängig gemacht werde, daß beide Ele 
mente bis ins Unendliche verkleinert gedacht werden, so soll 
es sich bei der Infinitesimalmethode noch um eine andere 
falsche Gleichsetzung handeln, zu der das Cartesianische 
Koordinatensystem die Voraussetzung bilde. Eine Linie werde 
durch eine Funktion zweier veränderlicher Größen bestimmt 
gedacht; daraus ergebe sich ein Funktionsverhältnis zwischen 
einem bestimmten Teil der Hauptlinie und den dazu gehörigen 
Teilen der Koordinaten, das bei rechtwinkligen Parallelkoordi 
naten einfach auf dem pythagoreischen Lehrsatz beruhe. Setze 
man nun aber bei einer krummen Linie A s 2 = A x 2 -\~ A y 2 , 
so sei diese Gleichung positiv falsch. Der Fehler könne 
nur rückgängig gemacht werden dadurch, daß wir die gleich 
gesetzten Elemente stetig bis ins Unendlich-Kleine abnehmen 
lassen und setzen ds 2 = dx 2 -f- dy 2 . Vaihinger meint, dann sei
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.