Die „Mathematischen Fiktionen“ in der „Phil, des Als-Ob“
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Aus den Äußerungen Vaihingers über die Infinitesimal
rechnung leitet E. Boerma drei verschiedene Auffassungen
derselben ab:
1. als fiktives System;
2. als regularisiertes System, und zwar:
a) rein nominalistisch: Fermats e eine Rechenmarke, die
bald etwas, bald nichts ist,
b) mit Betonung der Bedeutung „Etwas“; e eine oo
kleine Größe,
c) mit Betonung der Bedeutung „Nichts“; die Differen
tialrechnung ein Rechnen mit Nullen;
3. als Grenz verfahren; dies sei aber nicht scharf getrennt
von 2 b und sei nach Vaihingers Ansicht auch nicht ein
wandfrei.
Indem wir die weitere Diskussion dieser Fragen auf später
verschieben, wollen wir aus den umfangreichen Darlegungen
Vaihingers zu dem Problem der Infinitesimalrechnung nur
noch wenige wesentliche Gedanken herausheben. Betonte er
bei der Kreisberechnung, daß die Gleichsetzung eines Kreis
bogens mit einer Vieleckseite das Falsche sei, und daß dieser
Fehler dadurch rückgängig gemacht werde, daß beide Ele
mente bis ins Unendliche verkleinert gedacht werden, so soll
es sich bei der Infinitesimalmethode noch um eine andere
falsche Gleichsetzung handeln, zu der das Cartesianische
Koordinatensystem die Voraussetzung bilde. Eine Linie werde
durch eine Funktion zweier veränderlicher Größen bestimmt
gedacht; daraus ergebe sich ein Funktionsverhältnis zwischen
einem bestimmten Teil der Hauptlinie und den dazu gehörigen
Teilen der Koordinaten, das bei rechtwinkligen Parallelkoordi
naten einfach auf dem pythagoreischen Lehrsatz beruhe. Setze
man nun aber bei einer krummen Linie A s 2 = A x 2 -\~ A y 2 ,
so sei diese Gleichung positiv falsch. Der Fehler könne
nur rückgängig gemacht werden dadurch, daß wir die gleich
gesetzten Elemente stetig bis ins Unendlich-Kleine abnehmen
lassen und setzen ds 2 = dx 2 -f- dy 2 . Vaihinger meint, dann sei