Full text: Fiktionen in der Mathematik

Fiktionen in der Mathematik 
stets festgestellt werden können, d.h. daß man immer ent 
scheiden könne, ob in pinem begrenzten System von Sätzen 
irgendein Satz des Stamms mit einem andern Satz des Stamms 
in Widerspruch stehe. 
Dagegen sei die Frage nicht allgemein entscheidbar, ob ein 
Stamm nicht zu Widersprüchen zweiter Stufe führe, d. h. zu 
Sätzen, die unter sich oder mit Sätzen des Stamms in Wider 
spruch stehen. Diese Frage könne nur in besonderen Fällen 
beantwortet werden, z. B. bei dem Stamm der Geometrie. Das 
Verfahren ist dabei allgemein das, daß man den vorgelegten 
Stamm „formalisiert“ und dann die Leerstellen wieder in 
geeigneter Weise besetzt. Ist der so erhaltene neue Stamm, die 
Realisation, haltbar, so ist es auch der vorgelegte 
Stamm. Der Übergang von dem gegebenen zu dem forma 
lisierten Stamm ist ein vollkommen allgemeines Verfahren; 
ob für diesen dann eine neue Realisation möglich ist, kann 
aber nicht allgemein entschieden werden. In speziellen Fällen 
könne ein glücklicher Einfall retten, sagt Pasch. So sei es 
bei dem Stamm der Geometrie gelungen, indem man die Leer 
stellen seiner Formalisation mit Gegenständen der Arithmetik, 
mit Zahlen, besetzte, den Stamm „arithmetisierte“. Setzt man 
also die Lehren der Arithmetik als allgemein gültig voraus, so 
ist auch der Stamm der Geometrie haltbar. 
Die Lehren der Arithmetik, also die Eigenschaften der 
Zahlen, aber nur diese, will Pasch als „allgemein geläufige 
Tatsachen“ gelten lassen und die Arithmetik als ein Gebiet, in 
dem Widersprüche nicht zustande kommen können. 
Die primitiven Sätze der Arithmetik betrachtet er als Axiome 
im eigentlichen Sinn. 
Pasch setzt hier also ganz klar voraus, daß es solche primi 
tiven Sätze gibt, die für unser Denken unentbehrlich sind; 
außerdem aber noch, daß das logische Denken selbst, wenn es 
von widerspruchslosen Sätzen ausgeht, nie zu Widersprüchen 
führen kann. 
Nun können wir uns der Frage zuwenden, mit welchem 
Recht sich H. Vaihinger auf M. Pasch beruft. 
IÖ2
	        
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