Full text: Fiktionen in der Mathematik

Fiktionen ln der Mathematik 
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Nur dann zeigt sich die in Rede stehende Auffassung als 
durchführbar, wenn man weiß; Die Axiome sind in dem Sinne 
widerspruchsfrei und vollständig, daß von zwei 
„entgegengesetzten“ einschlägigen Urteilen U und U immer 
eines und nur eines eine logische Folge der Axiome ist. Dies 
aber wissen wir nicht (wenn wir es vielleicht auch glauben). 
Und wird dieser Glaube einmal in Einsicht verwandelt wer 
den, so ist es wohl sicher, da das logische Schließen aus der 
Iteration gewisser elementarer logischer Schlüsse besteht, daß 
wir zu dieser Einsicht nur gelangen werden auf Grund der 
Anschauung der Iteration, des unendlichen Fortgangs in einer 
Reihe. Dieser Anschauung aber entnehmen wir auch gerade 
die grundlegenden arithmetischen Einsichten über die natür 
lichen Zahlen, auf denen sich die gesamte Mathesis pura 
logisch auf baut 355 ). 
Die vorstehenden Darlegungen zu den Grundbegriffen und 
Axiomen der Geometrie zeigen, daß die Auffassungen hinsicht 
lich dieser geometrischen Voraussetzungen weit auseinander 
gehen, zugleich aber auch, daß die meisten Autoren wenig 
stens in den Sätzen der Arithmetik unbedingte Wahrheiten 
sehen, auf die man auch bei empiristischer oder konventio- 
nalistischer Einstellung beim Nachweis der Widerspruchs- 
losigkeit eines geometrischen Systems zurückgreifen muß. 
Solche „axiomatische“ Untersuchungen müssen immer an 
ein bestimmtes vorgelegtes System von Axiomen anknüpfen, 
dagegen kann aus dem allgemeinen Begriff einer Geometrie 
heraus das zugehörige Axiomensystem nicht deduziert wer 
den; man kann nicht einmal bei einer axiomatisch aufgebauten 
Geometrie allgemein sagen, auf welche andere Arten sie ent 
wickelt werden könnte. Es fehlt so an einem einheitlichen 
Prinzip, nach dem sich die verschiedenen axiomatisch fun 
dierten Geometrien einem umfassenderen System eingliedern 
ließen. Der Wert dieser Axiomatik ist daher schon angefochten 
worden. So will E, Study als einzig wahren Aufbau der Geo 
metrie die Begründung der Gesetze der arithmetischen Mannig 
faltigkeiten gelten lassen, auf die wir den Raum abbilden
	        
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