Fiktionen in der Mathematik
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Die Forschungen Beltramis haben ergeben, daß man in
einer Mannigfaltigkeit von konstantem Krümmungsmaß die
Variabeln so wählen kann, daß die geodätischen Linien durch
lineare Gleichungen dargestellt werden und daß dasselbe für
die Transformationen gilt, welche die Maßverhältnisse unge-
ändert lassen. Die Gruppe, die man der Mannigfaltigkeit durch
die Forderung konstanten Krümmungsmaßes adjungiert, muß
also in der Gruppe der linearen Transformationen enthalten
sein.
Die Maßbestimmung selbst fällt mit der projektiven zu
sammen, die man nach Cayleys Vorgang unter Zugrunde
legung einer quadratischen Gleichung aufbauen kann.
Mit der projektivischen Behandlungsweise stehen die Geo
metrie der reziproken Radien und die Liniengeometrie im
engsten Zusammenhang.
In der projektiven Geometrie sind Punkt, Gerade und
Ebene Grundgebilde, Kreis und Kugel nur Spezialfälle von
Kurven bzw. Flächen zweiten Grades. Das oo Ferne erscheint
als Ebene; das Fundamentalgebilde der elementaren Geo
metrie ist der oo ferne imaginäre Kugelkreis.
In der Geometrie der reziproken Radien erscheinen Punkt,
Kreis und Kugel als Elementargebilde; Gerade und Ebene
sind dadurch charakterisiert, daß sie das oo ferne Element,
einen Punkt, enthalten. Die Elementargeometrie ergibt sich,
wenn man diesen Punkt fest denkt.
Nun kann man die Elementargeometrie mit der projektiven
Geometrie auf einer Fläche zweiten Grades in Beziehung
setzen; hält man auf dieser Fläche einen Punkt fest, so sind
von unserem Standpunkt aus beide identisch. Sieht man von
dem ausgezeichneten Punkt ab, so gibt die projektive Geo
metrie auf der Fläche zweiten Grades ein Bild der Geometrie
der reziproken Radien in der Ebene. Entsprechend ist die
Geometrie der reziproken Radien im Raum gleichbedeutend
mit der projektiven Behandlungsweise einer Mannigfaltigkeit,
die durch eine quadratische Gleichung zwischen fünf homo
genen Veränderlichen dargestellt wird.