Fiktionen in der Mathematik
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begriffe durch die fünf Grundsätze nicht eindeutig festgelegt
sind, sondern oo viele Deutungen zulassen; sodann will Rus
sell, wie G. Frege, die Mathematik „logisieren“, d. h. er will
ihre Grundbegriffe selbst rein logisch definieren.
Zum ersten Punkt bemerkt B. Russell, daß im System Peanos
keine Möglichkeit vorliegt, zwischen den verschiedenen Inter
pretationen seiner Grundbegriffe zu unterscheiden; man muß
voraussetzen, daß man die Bedeutung der 0 kennt und weiß,
was unter Zahl und Nachfolger zu verstehen ist. Man
könnte nun sagen, 0, Zahl und Nachfolger sollen nicht Begriffe
sein, deren Bedeutung wir zwar kennen, die wir aber nicht
definieren können, sondern es sollen irgendwelche Elemente
sein, die den fünf Axiomen Peanos genügen 387 ).
Russell ist aber davon nicht befriedigt, weil man dann nicht
wisse, ob es überhaupt solche Reihen gebe, die Peanos Axiome
erfüllen, und weil unsere Zahlen auch auf alltägliche Dinge
anwendbar sein sollen; dazu müßten sie aber eine bestimmte
Bedeutung und nicht bloß gewisse formale Eigenschaften
haben.
Dies sucht Russell durch eine Definition der Zahl zu
erreichen, die auf den Begriff der Menge zurückgreift.
Eine Menge kann definiert werden durch Aufzählung ihrer
Glieder, oder aber durch Angabe einer definierenden Eigen
schaft; die letztere Art der Bestimmung, die Inhaltsdefi
nition, ist wichtiger als die erste, die Umfangsdefinition.
Die Zahlen selbst bilden eine oo Menge und
können daher nach Russells Ansicht nicht
durch Aufzählen definiert werden; jede oo Menge
muß vermöge ihres Inhalts definiert werden, d. h. „durch eine
allen ihren Elementen gemeinsame und sie auszeichnende
Eigenschaft“ 388 ). Die Zahl erscheint nun als ein Mittel, ge
wisse Mengen zusaramenzufassen, nämlich die, die eine ge
wisse Zahl von Elementen haben. Um aber zu entscheiden, ob
zwei Mengen die gleiche Zahl von Elementen haben, dürfen
wir nicht das Zählen benützen, wenn wir nicht bei der Defini
tion der Zahl einen Zirkel machen wollen. Russell erscheint es