Full text: Fiktionen in der Mathematik

■ 
i... £ ; 
W0m 
D 
1 
Zahl 
4. Die Begriffe Zahl und Ordnung sind bei Russell streng ge 
schieden, und zwar erscheint der Zahlbegriff als der ursprüng 
lichere. Während manche Mathematiker den Standpunkt ver 
treten, daß die Ordnungszahl der Kardinalzahl vorausgehe, ja 
sogar die einzig ursprüngliche und apriorische sei, trennt also 
Russell den Zahlbegriff vom Ordnungsbegriff und definiert die 
Kardinalzahl vor der Ordnungszahl und unabhängig von ihr. 
5. Man kann nun die Kardinalzahlen selbst auf zwei Arten 
darstellen, entweder als voneinander unabhängig und ge 
trennt, oder indem man sie auseinander durch wiederholtes 
Zufügen der Einheit entstehen läßt; so bilden sie die natür 
liche Zahlenreihe. Couturat hat für die erste Auffassung die 
Bezeichnung Kardinaltheorie eingeführt, die zweite 
nennt er Ordinaltheorie 392 ). Nach seiner und Russells 
Auffassung muß wieder die Kardinaltheorie der Ordinaltheorie 
vorausgehen. Beide Theorien können einander übrigens nicht 
vertreten, sondern ergänzen sich gegenseitig. Nach Ansicht 
dieser Forscher ruht die zweite Theorie auf der ersten, was die 
Behauptung der Unabhängigkeit des Zahlbegriffs (der Kar 
dinalzahl) vom Ordnungsbegriff bestätige. Da die Definition 
der Zahl durch das Aufeinanderfolgen selbst nur für endliche 
Zahlen gilt, Russell aber eine Definition der Zahl sucht, die 
endliche und unendliche Zahlen umfaßt, muß er schon aus 
diesem Grund von der Kardinaltheorie ausgehen. 
G. Hessenberg sagt in seiner Schrift „Vom Sinn der 
Zahlen“: Die Zahlen entstehen durch eine Vergleichung, und 
jede Vergleichung ist ein Abstraktionsakt. Die spezifisch 
mathematischen Abstraktionen unterscheiden sich von denen 
des täglichen Lebens nur graduell; ein qualitativer, 
im Wesen der Sache verankerter Unterschied liegt nicht 
vor. 
Er geht daher ohne Bedenken von gewissen Beziehun 
gen des täglichen Lebens aus, um schließlich aus ihnen zwei 
herauszuheben, die für die Konstituierung des Zahlbegriffs 
wesentlich sind. So findet er, daß der Stamm „gleich“ im 
Namen einer Beziehung nur verkommen darf, wenn diese 
231 
mhJ
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.