Full text: Fiktionen in der Mathematik

Fiktionen in der Mathematik 
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gründen, die der Quantität, auf gewisse andere, anscheinend 
fundamentalere, nämlich die der Qualität und der Existenz, 
zurückzuführen. 
Das zeigt sich an den Erklärungen der Null, die Frege auf 
die logische Kategorie des „allgemein verneinenden Urteils“ 
sowie der Eins, die er auf den Begriff der Identität zurück 
führt. Man muß wohl Natorp recht geben, wenn er in diesen 
Erklärungen Zirkel findet, denn in ihnen scheint der Zahl 
begriff bereits vorausgesetzt zu sein. 
Natorp behauptet, Frege kenne die Kantische „synthetische 
Einheit“ nur in der viel zu engen Form der Subsumtion; diese 
sei zwar sehr fundamental, aber nicht fundamentaler als alle 
anderen Urausdrücke der synthetischen Einheit, von denen sie 
nur einen darstelle. Deshalb lehnt Natorp die Erklärungen der 
Null und der Eins bei Frege ab und damit auch die der 
übrigen Zahlen; denn auch bei ihnen sei es nur Schein, daß 
die Zahlbestimmung auf etwas anderes (Verschiedenheit und 
Identität) zurückgeführt werde. 
Bei Dedekind erkennt Natorp besonders an, daß er weit 
entschiedener als Frege die „freie Schöpfung“ oder „Er 
zeugung“ der Zahlbegriffe betont. Er meint, Dedekind habe 
die immer gleiche Beziehung von Glied zu Glied als das er 
zeugende Prinzip der Zahl bestimmt erkannt. Die Quantität 
trete rein abgelöst von der Qualität hervor und der reine Rela 
tionscharakter der Zahl sei auch ungleich bestimmter als bei 
Frege als entscheidend erkannt. Nur gegen die Sonderstellung 
der Eins wendet sich Natorp. In seiner Grundreihe fällt ja der 
absolute Begriff der Eins ganz aus; jedes Glied der Reihe 
kann im bloßen Stellverhältnis nach Belieben als erstes ge 
setzt und dann das ihm folgende als zweites,.. gezählt werden. 
„Damit aber ergibt sich die Möglichkeit unendlich vieler, 
immer nach demselben „Gesetz“ sich aufbauender, nur dem 
Ausgangsglied nach verschiedener Zählungen; ihre Ver 
schiedenheit ist... zu bezeichnen als Verschiedenheit der Null 
beziehung.“ Diese Tatsache begründet die erste Art der sog. 
Rechenoperationen, Addition und Subtraktion.
	        
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