Fiktionen in der Mathematik
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selbst für notwendig zum vollständigen Aufbau der Arith
metik.
Man kann den Anzahlbegriff auch in anderer Weise ein
führen, indem man die Elemente zweier Aggregate einander
zuordnet. O. Holder führt den Begriff äquivalenter Aggregate
ein, der sich durchaus mit dem früher eingeführten Begriff
ähnlicher Mengen deckt. Die Aggregate werden so in Typen
geordnet derart, daß jeder Typus nur äquivalente Aggregate
umfaßt. Der Typus eines solchen Aggregats ist das, was er
Anzahl nennt 407 ).
Holder glaubt, der Aufbau der Arithmetik würde einfacher,
wenn man gleich von Anfang an den Begriff der Anzahl ein
führen würde, der ja doch nicht entbehrt werden könne; aber
andererseits habe doch die Zahl als Stellenzeichen, weil sie
weniger Beziehungen enthalte, gewisse Vorteile.
Den Versuchen, die Zahlenlehre rein logisch zu begründen
oder aber ihre Axiome nur als Konventionen aufzufassen, tritt
H. We y 1 entgegen.
Er meint, die Behandlung der Axiome als Festsetzungen sei
nur dann durchführbar, wenn man wisse: „Die Axiome sind
in dem Sinn widerspruchsfrei und vollständig, daß von zwei
entgegengesetzten* einschlägigen Urteilen U und U immer
eines und nur eines eine logische Folge der Axiome ist. Dies
aber wissen wir nicht...“ Zu wirklicher Einsicht aber
können wir nur gelangen „auf Grund der Anschauung
der Iteration, des unendlichen Fortgangs in einer Keihe.
Dieser Anschauung aber entnehmen wir auch gerade die
grundlegenden arithmetischen Einsichten über die natürlichen
Zahlen, auf denen sich die gesamte Mathesis pura logisch auf
baut“ 408 ).
H. Weyl ist daher auch mit der mengentheoretischen Be
handlung der natürlichen Zahlen, wie sie R. Dedekind lieferte,
nicht einig. Er sagt, eine solche Behandlung möge im Inter
esse der mathematischen Systematik von Wert sein, aber sie
dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, „daß man sich für die