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Fiktionen in der Mathematik
Zahlzeichen haben keinerlei Bedeutung. Neben ihnen braucht
man noch Zeichen mit Bedeutung, die zur Mitteilung dienen,
z. B. das Zeichen 2 als Abkürzung für 11 usw.
Zur Mitteilung werden auch Buchstaben a, b... für Zahl
zeichen verwendet; so ist b > a die Mitteilung, daß das Zahl
zeichen b über das Zahlzeichen a hinausragt usw.
D. Hilbert meint, wir könnten mit dieser anschaulichen,
inhaltlichen Art der Behandlung sehr weit vorwärts kommen;
er räumt aber doch ein, daß sie schon in der elementaren
Mathematik überschritten wird. Nun glaubt er aber, daß
man so, wie früher schon neben den gewöhnlichen noch
ideale Elemente in die Mathematik eingeführt wurden,
auch den finiten Aussagen noch gewisse ideale Aussagen
adjungieren könne und dadurch wieder auf die formal ein
fachen Regeln der Aristotelischen Logik hinauskomme.
Wie kommt man zu solchen idealen Aussagen? Schon die
elementare Mathematik geht über den Standpunkt der an
schaulichen Zahlentheorie hinaus; die Methode der algebra
ischen Buchstabenrechnung ist nicht in ihr inbegriffen.
Betrachtet man aber, wie in der Algebra, die Buchstaben
ausdrücke als selbständige Gebilde, so können die Formeln als
konkrete Objekte einer anschaulichen Betrachtung genommen
werden. An Stelle der inhaltlichen zahlentheoretischen Be
weise tritt dann die Ableitung einer Formel aus einer andern
nach gewissen Regeln. Die Mathematik wird so zu einem Be
stand von Formeln, und zwar erstens solchen, denen inhalt
liche Mitteilungen finiter Aussagen entsprechen, und zweitens
von weiteren Formeln, die nichts bedeuten und die die idealen
Gebilde der Theorie sind. D. Hilbert meint, da die idealen
Aussagen, die bewirken, daß insgesamt wieder die üblichen
Gesetze der Logik gelten, nichts bedeuten, soweit sie nicht
finite Behauptungen ausdrücken, könnten an ihnen die logi
schen Operationen nicht inhaltlich wie an den finiten Aus
sagen vorgenommen werden. Es ist deshalb nach seiner An
sicht nötig, die logischen Operationen und auch die