Full text: Fiktionen in der Mathematik

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Einleitung. 
H. Vaihinger hat in seinem umfassenden Werk: „Die 
Philosophie des Als-Ob“ dem Fiktionsbegriff eine sehr viel 
seitige Behandlung angedeihen lassen und ihn als fundamen 
talen Begriff in die Wissenschaft einzuführen gesucht. Es mag 
daher befremden, daß in vorliegender Arbeit der Fiktions 
begriff nicht als gegeben und scharf Umrissen vorausgesetzt, 
sondern selbst nochmals einer eingehenden Kritik unterworfen 
wird. Die Gründe hiefür müssen zunächst dargelegt werden. 
Nach H. Vaihinger ist die Mathematik eines der Haupt 
anwendungsgebiete der Fiktionen und zur Begründung seiner 
Ansicht hat er auch eine große Zahl von Beispielen angeführt. 
Prüft man nun diese mathematischen Beispiele genauer, so 
zeigen sich bedeutende Unstimmigkeiten. Man hat das Gefühl, 
als werde der Mathematik Gewalt angetan, und die feinsinnig 
sten Methoden erscheinen in einer Weise mißdeutet, daß der 
Mathematiker seine Zustimmung versagen muß. 
Sind nun Vaihingers Ausführungen über mathematische 
Fiktionen überhaupt nicht haltbar, oder lassen sich die den 
Mathematiker störenden Unstimmigkeiten auffinden und be 
heben? Diese Frage ist um so bedeutungsvoller, als gerade die 
„mathematischen Fiktionen“ im Mittelpunkt der Vaihinger- 
schen Erörterungen stehen. Aus ihnen hat er, wie sich an 
vielen Stellen scharf nachweisen läßt, die charakteristischen 
Merkmale der Fiktionen abgeleitet; stimmt’s bei ihnen nicht, 
so scheinen die Grundlagen der ganzen Fiktionstheorie er 
schüttert. 
Bei dem Versuch, die vorliegenden Schwierigkeiten zu be 
seitigen, bietet sich als erste Möglichkeit die, die Gründe der 
selben in der philosophischen Fundierung und speziellen Fas 
sung des Vaihingerschen Fiktionsbegriffs selbst zu suchen. 
Wie jeder Begriff, so ist auch dieser durch gewisse Merkmale 
festgelegt und es erheben sich folgende Fragen; Sind diese 
Merkmale, die ja selbst wieder begrifflich zu fassen sind, ein-
	        
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