Fiktionen in der Mathematik
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die den Brüchen entsprechen, deren Quadrat kleiner ist als 2.
Noch einfacher: ylT ist das Segment, das aus allen Brüchen
besteht, deren Quadrat kleiner ist als 2“ 434 ).
Man versteht nicht recht, wie sich Russell zu seiner scharfen
Stellungnahme gegen Dedekind veranlaßt sehen konnte; die
Schnitte, die wir im Anschluß an Dedekind einführten, leisten
dasselbe wie die Russellschen Segmente.
Wie Russell die rationalen reellen Zahlen streng
von den Brüchen unterscheidet, so stellten wir die „rationalen
Schnitte“ den ihnen zugeordneten rationalen Zahlen gegen
über. Den Beweis, daß eine Folge von rationalen reellen Zah
len, also von Segmenten, eine Grenze besitzt, kann Russell
auch nicht strenger erbringen als die Schnitttheorie. Dedekind
hat allerdings den Schnitt dritter Art nicht selbst als die Ir
rationalzahl definiert, sondern eine Zahl postuliert, die die
Lücke ausfüllt.
Von philosophischer Seite hat sich besonders P. Natorp mit
dem Problem der irrationalen Zahlen beschäftigt. Er meint,
durch die Theorie von Dedekind sei vor allem klargestellt
worden:
1. daß zwar aus der Stetigkeit die Teilbarkeit ins Unendliche
folge, aber umgekehrt aus dieser Teilbarkeit die Stetigkeit
noch nicht, denn zwischen irgend zwei rationalen Zahlen lasse
sich stets eine weitere angeben und trotzdem weise dieses
System Lücken auf;
2. daß dem Gesetz gemäß, nach dem der irrationale Wert
durch Reihen rationaler Werte nicht ausgerechnet, aber in
beliebiger Näherung berechnet werden kann, von jedem ratio
nalen Wert sich ausmachen lasse, ob er größer oder kleiner als
der fragliche irrationale sei.
Dagegen sei das einzige, was des Beweises bedurfte, durch
die Dedekindsche Argumentation nicht bewiesen worden, „daß
einem jeden Schnitt des rationalen Systems ein und nur ein
bestimmter Wert entspreche, durch dessen Hinzunahme alle
mal eine Lücke des Systems geschlossen werde“ usw. Nach