Full text: Fiktionen in der Mathematik

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Fiktionen in der Mathematik 
stehen ist. Diese Festsetzung kann in verschiedener Weise er 
folgen, das zeigen uns deutlich das Archimedische Axiom, das 
Dedekindsche Postulat und die Hypothesen VI und VIII bei 
Veronese. Auch H. Weyl betont, daß „reelle Zahl zu sein“ eine 
finite Eigenschaft sei, daß aber die Frage der Stetigkeit 
transfinit sei. 
Natorp verweist bei seiner Behandlung des Stetigkeits 
problems auf die Untersuchungen von Veronese, der in seiner 
Hypothese VI die relative, in seiner Hypothese VIII die 
absolute Stetigkeit mathematisch zu fassen sucht. 
Natorp meint: Die ganz radikale Fassung des Begriffs des 
mathematischen Unendlichkleinen und damit des Stetigen bei 
Veronese erscheine nicht bloß zulässig, sondern notwendig, 
sobald nicht mehr durch das Archimedische Prinzip (Ausmeß 
barkeit der Größe durch irgendeinen Teil) die absolute Grenze 
der zulässigen Zahlsetzungen bestimmt sein soll. Dies Prinzip 
bedeute eben die stillschweigende Voraussetzung des Be 
harrens auf der endlichen Teilung, es sei aber auch die Vor 
aussetzung der Dedekindschen Erklärung, 
Natorp behauptet dann: „Einzig durch das Überschreiten 
dieser Voraussetzung war über Dedekind wirklich hinauszu 
kommen und damit das Irrationale als rechtmäßiges 
mathematisches Gebilde zu begründen.“ Daß Veronese über 
Dedekind hinausschritt, ist richtig, denn in seiner Geometrie 
und seinem Zahlsystem gilt das Archimedische Axiom nicht, 
während es im Dedekindschen Postulat enthalten ist. Daß aber 
zur Begründung der irrationalen Zahlen nichtarchimedische 
Größen notwendig seien, wird von mathematischer Seite nicht 
zugegeben werden können. Es liegt bereits eine ganze Reihe 
von Arbeiten vor, in denen nichtarchimedische Größen An 
wendung finden, aber nirgends sind diese Größen arithmetisch 
bisher anders dargestellt als mittels sog. extensiver 
Größen von mehreren Einheiten. 
Die Koeffizienten dieser Einheiten sind dann reelle Zahlen 
im gewöhnlichen Sinne. Wir stehen hier also an einem Punkt, 
wo sich zwei Ansichten schroff gegenüberstehen. Die eine be-
	        
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