Fiktionen in der Mathematik
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Bei den höheren komplexen Zahlen können wir in
der Hauptsache drei Untersuchungsrichtungen unterscheiden:
Bei der ersten handelt es sich um die Frage, ob sich analog
den gewöhnlichen komplexen Zahlen mit zwei Einheiten
solche mit drei, vier und mehr Einheiten aufstellen lassen, die
dann so wie die gemeinen komplexen Zahlen für die Geo
metrie der Ebene geeignete Instrumente für die Behandlung
der Geometrien von drei und mehr Dimensionen darstellten. Es
hat sich gezeigt, daß ein analoges System von drei Einheiten
bei Aufrechterhaltung bestimmter Rechengesetze nicht mög
lich ist; dagegen wurde in den HamiltonschenQuater-
n i o n e n ein ähnliches System von vier Einheiten aufgestellt.
Zwecks näherer Orientierung über dieses und andere höhere
Systeme muß auf die diesbezügliche Fachliteratur verwiesen
werden 442 ).
Von wesentlich anderer Einstellung aus schuf Graßmann in
seinen extensiven Größen ein Instrument, das sich zu geo
metrischen Untersuchungen in hervorragender Weise eignet;
aber diese extensiven Größen dürfen nicht ohne weiteres mit
den eben besprochenen komplexen Zahlen zusammengenom
men werden. Schon Graßmann hat gezeigt, wie sich seine
Größen von n Einheiten zu invarianter Behandlung geometri
scher Probleme verwenden lassen, aber das System hat wohl
noch nicht die Beachtung gefunden, die es verdient. In neuerer
Zeit wurde bei der Begründung der Punktrechnung und bei
Aufstellung geometrischer Analysen wieder auf Graßmann
zurückgegriffen 443 ).
Bei der dritten Art der Zahlerweiterungen handelt es sich
vor allem um ein Hinausschreiten über das Archimedische
Axiom. Die Frage der Stetigkeit und des Einflusses der Stetig
keitsaxiome auf den weiteren Aufbau wurde besonders in
Untersuchungen über die Grundlagen der Geometrie als be
deutungsvoll erkannt. Vor allem haben G. Veronese und
D. Hilbert Geometrien aufgestellt ohne Benützung des Archi
medischen Axioms. Eine rein arithmetische Darstellung
solcher nichtarchimedischen Größensysteme hat Hahn ge-