Full text: Fiktionen in der Mathematik

Fiktionen in der Mathematik 
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aus stetiger und bestimmter, so einfach wie der Übergang vom 
Rechteck zum Quadrat. 
Wir leugnen natürlich nicht, daß nach wie vor der Begriff 
des Kreises von dem der Ellipse zu unterscheiden ist, da er ja 
ein konstitutives Merkmal mehr enthält, die gleichsinnigen 
projektiven Strahlbüschel müssen kongruent sein; aber ganz 
analog liegt der Fall bei der Subsumtion des Quadrats unter 
den Begriff des Rechtecks und allgemein eines engeren Be 
griffs unter den ihn umfassenden weiteren. 
Das vorliegende Beispiel kann uns aber noch einen Schritt 
weiter führen. Betrachtet man den Übergang von der Ellipse 
zum Kreis als einen Grenzprozeß, bei dem der Brennpunkts 
abstand 0 wird, so zeigt gerade dieser Fall, wie bei allen 
solchen Grenzprozessen, die scheinbar zu unbestimmten Er 
gebnissen führen, zu verfahren ist. Die bei den betreffenden 
Grenzprozessen in Betracht kommenden Merkmale, evtl, die 
zugehörigen analytischen Ausdrücke, müssen vor dem Grenz 
übergang so umgestaltet werden, daß sie gleichwertig bleiben, 
aber Formen annehmen, die den Grenzübergang einwandfrei 
zulassen. Als Beispiel hierfür sei die Bestimmung der Kreis 
tangente angeführt. 
Schreiben wir die Gleichung einer Sehne durch die beiden 
Kreispunkte (xi, yi) und (x 2 , y 2 ) in der Form 
y-Ji= x 2 ^r (x ~ Xl) ’ 
a 2 A 1 
so wird beim Übergang zur Tangente der Richtungsfaktor 
~ unbestimmt. Mittelst der Kreisgleichung 
Xg Xj 
x 2 + y 2 — r 2 = 0 
läßt sich aber dieser Ausdruck in bekannter Weise ersetzen 
durch und in diesem Ausdruck ist der Grenzüber- 
y. + y 2 
gang ohne weiteres ausführbar und führt zu einem bestimmten 
Resultat. Daß wir damit bereits in die Differentialrechnung 
hinübergeführt werden, zeigt, daß Yaihinger nicht unrecht 
hatte, jene „Null-Fälle“ seinen Ausführungen über die Infini 
tesimalmethode voranzustellen. Aber es läßt sich zeigen, daß
	        
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