Full text: Fiktionen in der Mathematik

Das Unendliche in der Mathematik. Mengenlehre 
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Auf was es ankommt, zeigt Hessenberg an dem Unterschied 
der beiden Disjunktionen: „prim—zerlegbar“ und „algebraisch 
— transzendent“. Im ersten Fall handelt es sich um eine für 
jede vorgelegte Zahl a entscheidbare Disjunktion; zu dem 
zweiten Fall aber bemerkt Hessenberg, daß es kein allgemeines 
Kriterium gebe, um die Transzendenz einer gegebenen Ir 
rationalität zu entscheiden. „Die Definition der Transzendenz: 
,a genügt keiner algebraischen Gleichung' ist kein Kriterium, 
sie enthält keine Methode, die Entscheidung zu treffen“ 455 ). 
Trotzdem stimmt Hessenberg den Bedenken Kroneckers in 
dieser Frage nicht in vollem Umfang zu; nach seiner Meinung 
sind Definitionen, die keine Kriterien enthalten, in der Mathe 
matik vielfach anzutreffen; so die Definition der Konvergenz 
und die der Gleichheit zweier verschieden definierter Irrational 
zahlen. Er zeigt dann an geometrischen Beispielen, wie in ge 
wissen Fällen eine logisch vollständige Disjunktion mathe 
matisch unentscheidbar bleiben mußte, weil in dem System 
der Theorie ein Axiom fehlte 458 ). Der Nachweis, daß unsere 
arithmetischen Axiome vollständig sind, ist aber noch nicht 
erbracht. Ob die Existenz unentscheidbarer Disjunktionen 
stets ein Zeichen der Unvollständigkeit des Axiomensystems 
ist, steht nach Hessenberg nicht fest. Bei den geometrischen 
Fällen konnte man die Unentscheidbarkeit dadurch feststellen, 
daß man die logische Möglichkeit und Widerspruchslosigkeit 
beider Fälle nachwies, das ist aber z. B. hinsichtlich der Frage, 
ob 2 ^ algebraisch oder transzendent sei, nicht möglich. 
Der Standpunkt Kroneckers, nur solche Disjunktionen an 
zuerkennen, deren Entscheidbarkeit nachgewiesen werden 
kann, und nur solche Definitionen zuzulassen, die zugleich 
Kriterien sind, ist nach Hessenberg zu einseitig, da er zur Ver 
werfung der allgemeinen Theorie der Irrationalzahlen und des 
Kontinuums, der Theorie der unendlichen Mengen usw. führen 
würde; Hessenberg zeigt auch, daß dem Postulat der Ent 
scheidbarkeit selbst ein unlösliches Dilemma anhaftet. 
G. Hessenberg wendet sich dann der Behandlung einiger 
Paradoxien zu. Bei der „Paradoxie der endlichen Bezeich
	        
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