Full text: Fiktionen in der Mathematik

Fiktionen in der Mathematik 
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nung“ kann er zeigen, daß ein Fehlschluß vorliegt, der in der 
Annahme besteht, daß zu jeder Irrationalzahl ein „Bildungs 
gesetz“ bekannt sei. Der Begriff „endlich definierbar“ ist nur 
ein Relativbegriff, abhängig von der gewählten Sprache oder 
Bezeichnungsweise. Der Schluß, daß alle endlich definierbaren 
Gegenstände abzählbar sein müssen, gilt nur, wenn für alle 
e i n Zeichensystem verwendet wird. Die Frage aber, ob ein 
einzelnes Individuum einer endlichen Bezeichnung fähig ist 
oder nicht, hat keinen Sinn, da man jedem Ding willkürlich 
eine beliebige Zeichenkombination zuordnen kann; sie be 
kommt erst einen vernünftigen Sinn, wenn man sie auf ab 
zählbare Mengen anwendet. 
„Unter den ultrafiniten Paradoxien“ bespricht Hessenberg 
zwei Mengen: Die „Menge D aller Mengen“ und die „Menge W 
aller Ordnungszahlen“. 
Er glaubt, daß, wie die unendlichen Mengen bei der An 
wendung des endlichen Anzahlbegriffs Paradoxien ergeben, so 
auch bei Mächtigkeiten, die über jedes Aleph hinausgehen, die 
Anwendung der transfiniten Mächtigkeitslehre versage. Ob der 
Grund dafür in gewissen unentdeckten Axiomen des Trans 
finiten oder in der Definition der paradoxen Mengen selbst 
stecke, die dann gar nicht existieren würden, sei noch unent 
schieden. Während man nun bei der ersten Menge D zeigen 
kann, daß die in ihr auftretenden Begriffe unscharf sind, 
handelt es sich bei der Menge W um eine rein-mathematisch 
definierte Menge. Hessenberg gibt die in ihr enthaltenen 
Widersprüche zu und glaubt, daß sie denselben Ursprung 
haben wie die der Menge D; er bespricht die einzelnen Lösungs 
versuche, von denen nach seiner Meinung keiner stichhaltig 
ist. Der Grund liegt eben in der Ungeklärtheit des 
Mengenbegriffs. „Die Operation des Zusammenfassens 
galt vor Entdeckung der Mengenlehre nur für eine endliche 
Anzahl von Individuen als zulässig. Unendliche Mengen hielt 
man für schlechtweg paradox. Diese einfache Scheidung ist 
hinfällig geworden, aber paradoxe Mengen existieren noch 
immer.“
	        
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