Fiktionen in der Mathematik
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etwas über M aussagen, ohne daß man eines ihrer Elemente
kenne; denn bis jetzt sei ja keine Wohlordnung des Kon
tinuums bekannt. Er fragt, ob man trotzdem ihre Existenz
oder nur ihre logische Möglichkeit annehmen dürfe. Die Frage
entscheidet Hessenberg nicht, er bemerkt aber, daß man den
Unterschied zwischen einer Menge, von der ein Element an-
gebbar ist, und einer als logisch möglich erkannten Menge
dadurch nicht beseitigt, daß man beide als existierend be
zeichnet 457 )-
Zu der Frage der sog. Erzeugungsprinzipien meint
Hessenberg: „Man denkt sich die natürlichen Zahlen zumeist
als Erzeugnisse des Zählprozesses, der in der Vermehrung um
die Zahl 1 besteht. Da dieser Prozeß unvollendbar ist, könnte
konsequenterweise die Menge der ganzen Zahlen nicht als ab
geschlossenes Ganzes betrachtet werden, wenn nicht die Men
genlehre diesen Abschluß forderte. Die Entdeckung, daß es
höhere Mächtigkeiten des Unendlichen gibt, als die des Zähl
prozesses, hat in erster Linie bahnbrechend gewirkt, sodann
aber auch die Entdeckung der allgemeinen wohlgeordneten
Mengen mit der in ihnen enthaltenen Fortsetzung des Zähl
prozesses durch das Limesverfahren. Von den verschiedenen
Erweiterungen der Menge G erfolgt die Einführung der ratio
nalen Zahlen durch eine einheitliche, rein formale Definition,
ebenso die der Irrationalzahlen. Von einem Erzeugungsprinzip
im Sinne des Zählprozesses kann hier nicht die Bede sein.
Dagegen läßt sich die Erweiterung der Zahlenreihe in die
höheren Zahlklassen hinein durch Erzeugungsprinzipien dar
stellen und historisch ging diese Methode, soweit die zweite
Zahlklasse in Betracht kommt, der allgemeinen Theorie der
wohlgeordneten Mengen voran“ 458 ). Den Namen „Erzeugungs
prinzipien“ hält Hessenberg aber deshalb nicht für gut, weil
nach seiner Auffassung diese Prinzipien nicht ausreichen, um
die Eigenschaften der erzeugten Gebilde vollständig zu be
weisen.
Zur sukzessiven Definition der zweiten Zahlklasse genügt
es, folgende zwei Operationen zu postulieren: