Full text: Fiktionen in der Mathematik

Fiktionen in der Mathematik 
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Gesichtspunkte könne er aber auch für sein Prinzip geltend 
machen. 
Zermelo zeigt, daß er mit dem Auswahlpostulat nur ein 
Prinzip klar formuliert habe, das in der Mengenlehre bereits 
von Cantor, Dedekind, Bernstein, Schoenflies und König mit 
Erfolg angewendet worden sei. Das ist ihm nur erklärlich 
durch die tatsächliche Evidenz des Prinzips. Das wissen 
schaftliche Bedürfnis lasse sich aber objektiv entscheiden, da 
eine Reihe von Problemen aufgewiesen werden könnten, die 
ohne das Auswahlprinzip bisher nicht zu erledigen gewesen 
seien. Man möge das Prinzip eine Hypothese heißen, 
aber man dürfe die produktive Wissenschaft nicht hindern, 
sich seiner zu bedienen, solange es nicht positiv widerlegt sei. 
Zermelo erscheint das Peanosche System einerseits 
zu eng, um allen mathematischen Ansprüchen genügen zu 
können, andererseits aber wieder zu weit, um Widersprüche 
auszuschließen. Dagegen sind nach seiner Ansicht „die Ver 
treter der Mengenlehre als einer rein mathematischen Diszi 
plin, welche nicht auf die Grundbegriffe der traditionellen 
Logik beschränkt ist, durchaus in der Lage, durch geeignete 
Spezialisierung ihrer Axiome alle bisher bekannten „Anti 
nomien* zu vermeiden** 482 ). 
Dies sucht nun Zermelo in einer Abhandlung „Untersuchun 
gen über die Grundlagen der Mengenlehre“ streng nachzu 
weisen 403 ). Es entspricht der Auffassung G. Hessenbergs, daß 
eine Definition der Menge vielleicht gar nicht gegeben werden 
könne, sondern nur ein Axiomensystem, wenn Zermelo sagt: 
Angesichts namentlich der „Russellschen Antinomie** von der 
„Menge aller Mengen, welche sich selbst nicht als Element 
enthalten“, scheint es heute nicht mehr zulässig, einem be 
liebigen logisch definierbaren Begriffe eine „Menge“ oder 
„Klasse** als seinen „Umfang** zuzuweisen. Die ursprüngliche 
Cantorsche Definition einer ,Menge*... bedarf also jedenfalls 
einer Einschränkung, ohne daß es jedoch schon gelungen wäre, 
sie durch eine andere, ebenso einfache zu ersetzen, welche zu 
keinen solchen Bedenken mehr Anlaß gäbe. Unter diesen Um
	        
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