Das Unendliche in der Mathematik. Mengenlehre
ständen bleibt gegenwärtig nichts anderes übrig, als den um
gekehrten Weg einzuschlagen und, ausgehend von der histo
risch bestehenden ,Mengenlehre', die Prinzipien aufzusuchen,
welche zur Begründung dieser mathematischen Disziplin er
forderlich sind. Diese Aufgabe muß in der Weise gelöst wer
den, daß man die Prinzipien einmal eng genug ein
schränkt, um alle Widersprüche auszuschließen,
gleichzeitig aber auch weit genug ausdehnt, um alles
Wertvolle dieser Lehre beizubehalten“ 464 ).
Zermelo sucht dann zu zeigen, daß sich die ganze von Can-
tor und Dedekind geschaffene Theorie auf wenige Definitionen
und sieben Axiome zurückführen läßt. Die Frage nach dem
Ursprung und dem Gültigkeitsbereich dieser Prinzipien will
er zunächst nicht erörtern, sondern nur zeigen, daß die bisher
bekannten Antinomien verschwinden. Daß er keinen strengen
Beweis der vollständigen Widerspruchslosigkeit seines Axio-
mensystems liefern könne, gibt Zermelo selbst zu.
Auch diese Arbeit Zermelos hat keineswegs allseitige Zu
stimmung gefunden. H. Poincare 485 ) meint, wenn Axiome
nur willkürliche Festsetzungen sein sollen, versteckte Defini
tionen der Grundbegriffe, so müsse gezeigt werden, daß sie
widerspruchsfrei seien. Hilbert sei dieser Nachweis für die
Geometrie gelungen, weil er die Methode der Analysis voraus
setzte und sich ihrer bediente. Zermelo konnte diesen Nach
weis aber nicht führen, da er sich nicht auf andere feststehende
Wahrheiten stützen konnte, daher müssen seine Axiome sich
selbst genügen. Solche Axiome können aber nach der Ansicht
von Poincare keine willkürlichen Festsetzungen sein, sie
müssen in sich selbst einleuchtend sein. Er findet eine wesent
liche Schwierigkeit im Zermeloschen System in dem Umstand,
daß Zermelo gewisse Axiome nicht beibehalten konnte ohne in
Widersprüche zu geraten, trotzdem diese von vornherein
ebenso evident seien, wie die von Zermelo benützten.
Wenn Zermelo das achte Axiom: „Beliebige Objekte bilden
eine Menge“ ablehnt, um einem Widerspruch zu entgehen, so
können seine Axiome keine bloßen Wortdefinitionen für Menge
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