Full text: Fiktionen in der Mathematik

Das Unendliche in der Mathematik. Mengenlehre 
335 
jetzt gewöhnlich die axiomatische Richtung, die sich 
an Cantor, Weierstraß, Zermelo u. a. anschließt, als die 
„klassische“; ihr Hauptvertreter ist wohl Hilbert. Die 
gegnerische Gruppe, die an Kronecker und Poincaré anknüpft, 
nennt sich nach Brouwers Ausdruck die „intuitionisti- 
sche“; in diesem Lager finden wir unter anderen Brouwer 
und Weyl. 
H. W e y l 467 ) ging ursprünglich von den Zermeloschen Axio 
men aus und suchte den Begriff der „definitenKlassen- 
aussage“ genauer zu fassen; das führte ihn zu einer 
Reihe von Definitionsprinzipien, die er als A x i o m e der 
Mengenbildung derart zu fassen suchte, daß keine 
andern Mengen existieren konnten als die, welche durch end 
lichmalige Anwendung der in den Axiomen enthaltenen Kon 
struktionsprinzipien gebildet werden konnten. Dabei sollte der 
Begriff der natürlichen Zahl nicht vorausgesetzt werden. Weyl 
sagt selbst, daß ihn dieser Versuch zu immer weitergehender 
und immer komplizierterer Formalisierung trieb, ohne daß er 
ein endgültiges Resultat erreichen konnte. Erst die Abkehr 
vom Konventionalismus gab ihm die feste Über 
zeugung, daß die Vorstellung der Iteration, der 
natürlichen Zahlenreihe, ein letztes Funda 
ment des mathematischen Denkens sei. 
Dieser Überzeugung gemäß sucht er in seiner Abhandlung 
„Das Kontinuum“ einen Aufbau der Analysis zu entwickeln, 
der von den Fehlern und Zirkelschlüssen der seitherigen Ana 
lysis frei ist. Er geht aus von den Begriffen „Urteil“, „Sach 
verhalt“, „wahres Urteil“ „Eigenschaftssachverhalt“, und 
stellt drei wesentlich verschiedene Urteile einander gegenüber: 
Eigenschaftsurteile, Relationsurteile, und Existentialurteile. 
Die den einzelnen unmittelbar gegebenen Eigenschaften und 
Relationen entsprechenden Urteilsschemata sind die ur 
sprünglichen, ihnen ist noch die Identität an die Seite 
zu stellen. Aus diesen einfachen lassen sich dann zusammen 
gesetzte Urteilsschemata ableiten nach bestimmt festgelegten 
Prinzipien der Urteilskombination. Weyl gibt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.