Das Unendliehe in der Mathematik. Mengenlehre
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fallen gelassen werden, aber Weyl will sich durch solche
Opfer nicht an dem eingeschlagenen Weg irre machen lassen.
Zu wesentlich radikaleren Konsequenzen, ja sogar zur Auf
gabe seiner bisherigen Theorie des Kontinuums wurde Weyl
durch die Untersuchungen von L. E. J. Brouwer 47i ) ver
anlaßt. Ehe wir die neue Einstellung Weyls darlegen, müssen
wir uns kurz mit der Brouwerschen Auffassung beschäftigen.
Nach Brouwer folgt aus der Unmöglichkeit der Unendlich
keit einer Menge keineswegs ihre Endlichkeit. Das Lösbar
keitsaxiom und der Satz vom ausgeschlossenen Dritten sind
beide falsch; der Glaube an sie ist historisch dadurch bedingt,
daß man zunächst aus der Mathematik der Teilmengen einer
bestimmten endlichen Menge die klassische Logik abstrahierte,
sodann dieser Logik eine von der Mathematik unabhängige
Existenz a priori zuschrieb und sie schließlich auf Grund
dieser vermeintlichen Apriorität unberechtigterweise auf die
Mathematik der unendlichen Mengen anwandte.
In seiner Abhandlung „Intuitionistische Mengen
lehre“ behauptet Brouwer:
1. Daß das Komprehensionsaxiom, auf Grund
dessen alle Dinge, welche eine bestimmte Eigenschaft besitzen,
zu einer Menge vereinigt werden, zur Begründung der Mengen
lehre unzulässig bzw. unbrauchbar sei und der Mathematik
notwendig eine konstruktive Mengendefinition zugrunde
gelegt werden müsse.
2. „Daß das von Hilbert formulierte Axiom von der
Lösbarkeit jedes Problems mit dem logischen
Satz vom ausgeschlossenen Dritten äquivalent
sei, mithin, weil für das genannte Axiom kein zureichender
Grund vorliege und die Logik auf der Mathematik
beruhe und nicht umgekehrt, der logische Satz vom
ausgeschlossenen Dritten ein unerlaubtes mathematisches
Beweismittel sei, dem kein anderer als ein scholastischer und
heuristischer Wert zugesprochen werden könne.“
Von der in diesen beiden Thesen kondensierten intuitionisti-
schen Auffassung der Mathematik aus will Brouwer die Men