Fiktionen in der Mathematik
freiheit, sondern die Eindeutigkeit der Mengenlehre be
treffe,
Wenden wir uns jetzt den Hilbertschen Gedankengängen 478 )
zu, so haben wir hier vor allem noch zwei Dinge ins Auge zu
fassen:
1. Die von Hilbert in ganz besonderer Weise ausgebildete
axiomatische Methode.
2. Das damit im engsten Zusammenhang stehende Pro
blem der Widerspruchslosigkeit und die
Hilbertsche Beweistheorie.
Die ältere Auffassung der Axiomatik ist die, daß man von
wenigen Grundsätzen, von deren Wahrheit man überzeugt ist,
ausgehe und die andern Sätze der Theorie logisch daraus
ableite. Das Augenmerk ist also auf den Erkenntnis
charakter der Axiome gerichtet; ursprünglich sollten
als Axiome sogar nur Sätze, die a priori wahr sind, Verwen
dung finden. Noch Kant meint, daß die Fruchtbarkeit der
Axiomatik in der Geometrie vor allem darauf beruhe, daß
man von Erkenntnissen a priori ausgehen könne.
Diese Auffassung gab man schließlich auf, da man in der
Physik teils reine Erfahrungssätze, teils Hypothesen als Axiome
an die Spitze stellen mußte. Der Glaube an die apriorische Er
kenntnis der geometrischen Axiome war durch die Entwick
lung der nichteuklidischen Geometrie bei den Forschern der
exakten Wissenschaften auch teilweise verloren gegangen. Die
systematische Entwicklung der Geometrie und deren Er
hebung weit über den Bereich der räumlichen Anschauung
hinaus brachte auch eine andere Betrachtungsweise der
Axiome mit sich, die sich nicht mehr auf deren Erkenntnis
charakter bezog. Es wurde so notwendig, die rein mathe
matischen von den erkenntnistheoretischen
Problemen der Axiomatik zu scheiden. Diese Trennung
des Mathematisch-Logischen vom Räumlich-Anschaulichen
hat Hilbert schon in seinen „Grundlagen der Geometrie“ scharf
durchgeführt.