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Das Unendliche in der Mathematik. Mengenlehre
Hilbert will hier nicht nur in den Beweisen, sondern sogar
in den Axiomen die Heranziehung der räumlichen Anschauung
vermeiden. „Punkt“, „Gerade“, „Ebene“ werden erst durch die
Axiome charakterisiert — implizite Definition. Die
Axiome sind so keine Urteile, von denen man sagen kann, daß
sie wahr oder falsch seien, da sie nur im Zusammenhang des
ganzen Axiomensystems Sinn haben.
Auch das ganze Axiomensystem bildet nicht den Ausspruch
einer Wahrheit, die logische Struktur ist vielmehr wie bei der
abstrakten Gruppentheorie eine rein hypothetische. Das Axio
mensystem bringt also nicht eine Tatsächlichkeit zum
Ausdruck, sondern stellt nur eine mögliche, d. h. widerspruchs
freie Form eines Systems von Verknüpfungen dar, das mathe
matisch nach seinen inneren Eigenschaften zu untersuchen ist.
An die Begriffe und Sätze einer Theorie, insbesondere also
auch an ein Axiomensystem sind nun zwei Forderungen zu
stellen:
1. Es muß sich die Abhängigkeit oder Unabhän-
hängigkeit der einzelnen Axiome bzw. Axiomgruppen
überblicken lassen.
2. Das System muß widerspruchsfrei sein; und zwar
genügt es nicht, etwa vorhandene Widersprüche durch Ab
änderung der Axiome zu beseitigen, es muß vielmehr prin
zipiell nachgewiesen werden, daß jedesmal innerhalb eines
Wissensgebiets auf Grund des aufgestellten Axiomensystems
Widersprüche überhaupt unmöglich sind.
Für die älteren Axiomensysteme der Geometrie, der Physik
usw. war für diesen Nachweis der Widerspruchsfreiheit
typisch die Zurückführung auf die Frage der Widerspruchs-
losigkeit der arithmetischen Axiome; bei dem Axiomensystem
der reellen Zahlen konnte man auf das der ganzen Zahlen
zurückgehen. Bei den Axiomen der ganzen Zahlen und bei der
Begründung der Mengenlehre ist dieser Weg nicht gangbar.
Die Frage der Widerspruchslosigkeit bei den ganzen Zahlen
und Mengen ist nicht alleinstehend, sondern gehört einem
Bereich schwierigster erkenntnistheoretischer Fragen mathe-
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