Grundlagen der Vaihinger sehen Fiktionslehre
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worfenen Frage dadurch näher zu kommen, daß wir den
Untersuchungen von E. Husserl und im Zusammenhang damit
dem Wirklichkeitsbegriff der Mathematik noch besondere Be
achtung schenken.
E. Husserl 118 ) führt statt der gewöhnlichen Unterschei
dung von Real- und Idealwissenschaften einen doppelten Gegen
satz ein: Den Tatsachen stellt er das Wesen, dem Realen das
Nichtreale gegenüber; denn einerseits will er das reale Sein
von dem individuellen (zeitlichen Sein schlechthin) unter
scheiden, andererseits gibt es nach seiner Ansicht Wesens
erkenntnis von Realem und von Idealem.
„Jeder Wissenschaft entspricht ein Gegen
standsgebiet als Domäne ihrer Forschungen,
und allen ihren Erkenntnissen, d. h. hier richtigen Aussagen,
entsprechen als Urquellen der rechtausweisenden Begrün
dung gewisse Anschauungen, in denen Gegenstände des Ge
bietes zur Selbstgegebenheit und mindestens partiell zu origi
närer Gegebenheit kommen“ 117 ). Für die „natürliche“ Ein
stellung ist die Welt der Gesamthorizont möglicher Forschun
gen, die Wissenschaften sind Wissenschaften von der Welt
und die Begriffe „wahrhaftes Sein“ und „wirkliches, d, i.
reales Sein“ decken sich.
Die gebende Anschauung dieser „natürlichen“ Erkenntnis
sphäre ist die natürliche Erfahrung, und die originär gebende
Erfahrung ist die Wahrnehmung im gewöhnlichen Sinn. Die
Welt ist der Gesamtinbegriff von Gegenständen möglicher Er
fahrung. Alle transzendental gereinigten „Erlebnisse“ aber
sind „Irrealitäten“, gesetzt außer aller Einordnung in die
„wirkliche Welt“. Diese Irrealitäten erforscht die Phänomeno
logie, nicht als singuläre Einzelheiten, sondern im Wesen.
„Erfahrungswissenschaften sind Tatsachenwissenschaften.
Die fundierenden Erkenntnisakte des Erfahrens setzen Reales
individuell“, als etwas räumlich-zeitlich Daseiendes. Indivi
duelles Sein ist zufällig, es ist so, es könnte seinem Wesen
nach auch anders sein. Aber zum Sinn jedes Zufälligen ge
hört, ein Wesen, ein rein zu fassendes Eidos zu haben. Er-