Full text: Fiktionen in der Mathematik

Zur Theorie der Fiktionen 
begriffs dadurch zu umgehen suchen, daß sie jede Abhängig 
keit des Denkens von einem denkunabhängigen Sein bestreiten, 
zeigen sich doch bei manchen Philosophen starke Bedenken 
dagegen, alles Übersinnliche, alle Werte... in das Denken her 
einzunehmen. Sie betrachten das Ideale als etwas, was das 
Subjekt überragt, was nicht an das denkende Ich geknüpft 
sein kann. So kommen sie zu der Auffassung, daß das Über 
sinnliche, das Ideale, das Reich der Werte, der Geltungen, das 
denkende Subjekt transzendiere; aber dieses Transzendieren 
soll kein Setzen eines transzendenten Seins bedeuten; es soll 
sich hier um ein Gebiet handeln, auf das der Begriff des Wirk 
lichen, des Seins, nicht anwendbar sei. So sagt schon Lotze, 
daß das Gelten einer Wahrheit nichts von Sein einschließe; 
Geltung sei dem Sein „völlig unähnlich“. Unter den Vertretern 
dieser Richtung in neuerer Zeit sind vor allem E. Husserl, 
Rickert, Meinong zu nennen. 
E. Husserl unterscheidet streng zwischen dem Urteilsakt 
und dem Urteilsinhalt oder „Satz“. Urteilsakte, Einzelerleb 
nisse, in denen das Urteil von urteilenden Individuen gefällt 
wird, gibt es viele, das Urteil selbst aber ist eine generelle 
begriffliche Einheit, die zeitlos und überempirisch ist. Nur bei 
solchen Urteilen kann es sich um Gültigkeit oder Ungültigkeit 
handeln; gültige Urteile aber sind „Wahrheiten“ und unser 
Urteilen hat die Intention, gültige Urteile zu vollziehen. 
Evidenz ist nichts anderes als das Erlebnis der Wahrheit. 
Die Wahrheit aber ist „eine Idee, deren Einzelfall im 
evidenten Urteil aktuelles Erlebnis wird“. „Die Idealität der 
Wahrheit macht ihre Objektivität aus.“ So ist also für Husserl 
die Wahrheit eine ideale, zeitlose Wesenheit, die einem idealen 
Reich angehört, das w r eder in psychologischem noch meta 
physischem Sinn mit realem Sein etwas zu tun hat; als In 
begriff identischer, idealer Einzelheiten besteht sie unabhängig 
von allen denkenden Intelligenzen, allen Akten, aller Realität. 
Rickert stellt im Urteil außer den Subjekts- und Prä 
dikatsvorstellungen noch etwas spezifisch Urteilsmäßiges fest; 
er löst das Urteil deshalb auf in eine eindeutige Frage, die alles 
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