Full text: Arithmetik (1. Teil, 1. Band)

I. Kapitel. Die natürlichen Zahlen. 
keit gewesen und deshalb bereits in frühen Zeiten von allen Völkern 
mit besonderen Namen „zwei* 
,drei“, „vier“ usw. belegt worden. 
Der 
gemeinsame Name für alle auf diese Weise entstandenen Begriffe ist 
„Anzahl“ oder „natürliche Zahl“ oder (im Gegensätze zu anderen, 
später einzuführenden Zahlen) „positive ganze Zahl“. 
Das Zählen irgend einer Menge von Dingen wird nun, wenigstens 
ursprünglich, vollzogen, indem man von der besonderen Beschaffenheit 
jedes Dinges gänzlich abstrahiert, es eben nur als „Eins“ auffaßt, alle 
diese „Einsen“ ohne Rücksicht auf ihre Anordnung im Bewußtsein 
zu einem Ganzen verbindet und der so entstehenden Vielheit den für 
den betreffenden Fall zukommenden Namen „zwei“ oder „drei“ oder 
„vier“ usw. gibt. Sind insbesondere die gezählten Dinge sämtlich von 
gleicher Art, d. h. stimmen sie in denjenigen Merkmalen überein, auf 
die für den vorliegenden Zweck unser Interesse gerade gerichtet ist, 
und tragen sie dementsprechend einen gemeinsamen Namen, so können 
wir nachträglich, d. h. nach der Zählung, diesen Namen hinzusetzen 
und erhalten alsdann eine „benannte Zahl“. 
Unter die soeben gegebene Definition des Zahlbegriffs fällt streng 
genommen nicht der Begriff „Eins“ und noch weniger der Begriff 
„Null“, der das Nichtvorhandensein eines Dinges von bestimmter Art 
in einer Menge bezeichnet; denn Eins und Null sind nicht die Er 
gebnisse kollektiver Verbindung. 1 ) Weil aber zwischen Eins und Null 
und den eigentlichen Zahlen ganz ähnliche Relationen 2 ) bestehen wie 
unter den letzteren allein, erweitern wir unseren Zahlbereich, indem 
wir die Begriffe Eins und Null hinzunehmen. 
In der angegebenen Weise können wir aber tatsächlich nur wenige 
Zahlbegriffe wirklich herstellen; denn mehr als höchstens zehn bis 
zwölf Objekte einzeln aufzufassen und gleichzeitig zu einem Ganzen 
in unserem Bewußtsein zu vereinigen, ist uns im allgemeinen nicht 
möglich. Wären wir auf die eigentliche Mengenvorstellung angewiesen, 
so würde die Zahlenreihe günstigstenfalls etwa mit der Zwölf endigen, 
und wir hätten auch nicht den Begriff einer Fortsetzung. Bei größeren 
Mengen, z. B. der Menge der Zuschauer in einem Theater oder der 
Sterne am Himmel, wäre vielleicht noch die sukzessive Auffassung 
der einzelnen Objekte möglich, aber nicht mehr ihre zusammenfassende 
1) Die Pythagoreer sagen (vgl. Cantor, Vorlesungen über die Geschichte 
der Mathematik I, 2. Aufl., S. 147); „Die Einheit ist Ursprung und Anfang aller 
Zahlen, aber nicht selbst Zahl“, eine Ansicht, die sich auch bei den arabischen 
und christlichen Mathematikern des Mittelalters wiedeifindet. Die Auffassung 
der Null als Zahl ist erst den Indern zu verdanken, und das Vorkommen eines 
Zeichens für sie ist nach Cantor (Vorlesungen I, S. 569) erst etwa seit 400 n. Chr. 
gesichert. 
2) Der besondere Charakter von Eins und Null zeigt sich aber immerhin 
in den mannigfachen Ausnahmen, die das Rechnen mit diesen Zahlen bietet.
	        
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