234 V. Kapitel. Rechenoperationen im Bereiche der rationalen Zahlen.
wir jetzt Theorie des logarithmischen Rechnens nennen, war also im
wesentlichen schon Stifel bekannt. Zur Ausnutzung dieser Gedanken
für das numerische Rechnen bedurfte man nur noch einer geometrischen
und der entsprechenden arithmetischen Reihe, deren Glieder so dicht
aufeinander folgten, daß man jede beliebige Zahl entweder unmittelbar
in einer der beiden Reihen finden, also die zugehörige der anderen
Reihe direkt ablesen oder doch diese durch ein einfaches Interpolations
verfahren schnell und hinreichend genau bestimmen konnte. Die in
der Berechnung zweier solcher zusammengehörigen Reihen bestehende
Arbeit Wurde nun geleistet einerseits von Joost Bürgi 1 ), welcher
seine „Arithmetische und Geometrische Progreß-Tabulen“ bereits
zwischen 1603 und 1611 berechnete, aber erst 1620 veröffentlichte,
und andrerseits unabhängig von ihm von John Neper, Baron von
Merchiston 2 ), dessen Mirifici logarithmorum canonis descriptio 1614
erschien.
Bei Bürgi lautet die geometrische Reihe:
10», 10» (l + i), 10» (l + i) S ,..., 10» (l + ,
die arithmetische
0, 10-1, 10-2, ,10-n, ....
Wie man sieht, ist die Berechnung dieser Reihen verhältnismäßig
sehr einfach 3 * ). Jedes Glied der geometrischen Reihe ergibt sich aus
dem vorhergehenden, indem man zu diesem seinen 10 000 ten Teil hin
zufügt. Bürgi hat die Reihe fortgesetzt bis zu den Werten
n = 23 027 und n = 23 028
und dann durch Interpolation gefunden, daß dem Werte
w = 23027,0022,
1) 1552—1632; in der Schweiz geboren, brachte er den größten Teil seines
Lebens in Kassel und Prag zu.
2) Geboren 1550 in Merchiston bei Edinburg, gestorben 1617.
3) Aus diesem Grunde schlägt M. Koppe in der Programmabhandlung des
Andreasrealgymnasiums zu Berlin 1893 ein ganz ähnliches Verfahren zur ersten
Einführung in die Lehre von den Logarithmen vor, wobei er sich für die Unter
richtszwecke mit einer geometrischen Reihe begnügt, deren Quotient 1 -f- -^5 ist.
Er faßt die Glieder dieser Reihe als Ergebnisse von Zinsaufgaben auf und
bemerkt (im Anschluß an Zeuthen), daß man auch schon die von Stevin 1585,
also vor Bürgi und Neper, in seiner Practique d’Arithmétique (vgl. Cantor II,
S. 615) veröffentlichten Zinstafeln in ähnlicher Weise wie Logarithmentafeln zur
Erleichterung des numerischen Rechnens hätte benutzen können.