Die irrationalen Zahlen 1 ).
§ 1. Einleitung.
Definition und Größenvergleiclmiig der irrationalen Zahlen.
Im Gebiete der rationalen Zahlen sind, wie schon im Anfänge
des vorigen Kapitels gesagt worden ist, die vier Grundoperationen:
Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren, Dividieren (mit alleiniger Aus
nahme der Division durch Null) stets ausführbar, im allgemeinen aber
nicht mehr das Radizieren einer beliebigen positiven Zahl und das
Logarithmieren einer beliebigen positiven Zahl für eine beliebige
positive Basis (vgl. Kap. II, § 5C u. D, S. 92 u. 96). Für alle An
wendungen der Arithmetik ist dieser Mangel unerheblich; denn, wenn
auch aus einer vorgelegten positiven Zahl die w te Wurzel nicht ge
zogen werden kann, so lassen sich doch stets w te Potenzen rationaler
Zahlen angeben, die sich von der vorgelegten Zahl beliebig wenig
unterscheiden (vgl. Kap. II, § 5 C, S. 95), und ebenso können wir
Numerus und Basis durch Hinzufügung oder Wegnahme beliebig kleiner
Zahlen so abändern, daß für die neue Basis der Logarithmus des
neuen Numerus wirklich existiert (Kap. Y, § 5 B, S. 241), und da es
sich bei allen Anwendungen der Arithmetik, wie schon wi äderholt
hervorgehoben wurde, niemals um absolute Genauigkeit, sondern immer
nur darum handelt, daß der begangene Fehler eine gewisse Grenze
nicht überschreitet, sind die erwähnten Abänderungen für das praktische
Rechnen durchaus zulässig. Tatsächlich operieren auch Physik, Astro
nomie, Technik, kaufmännisches Rechnen usw. immer nur mit den
rationalen Zahlen 2 ).
1) Diesem Kapitel ist zugrunde gelegt die Programmabhandlung des Yerf.:
Irrationale Zahlen und Verhältnisse inkommensurabler Größen. Luisensiädt.
Oberrealschule zu Berlin, 1900.
2) Daß auch die theoretische Arithmetik, Algebra und Analysis mit den
rationalen Zahlen (sogar mit den positiven ganzen Zahlen) auskommen sollen,
fordert L. Kronecker. In dem Aufsatze „Über den Zahlbegriff“ (J. f. Math.,
Bd. 101, S. 387) zeigt er, worin bei ausschließlicher Verwendung der rationalen
Zahlen die Existenz der Wurzeln einer beliebigen algebraischen Gleichung
besteht.