Full text: Arithmetik (1. Teil, 1. Band)

§ 9. Historisches über die irrationalen Zahlen. 
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sprechenden Gleichungen zwischen Zahlenquotienten, deren Beweise 
gar keine Schwierigkeiten bieten, nachdem die Rechenoperationen für 
alle reellen Zahlen begründet sind. 
§ 9. Historisches über die irrationalen Zahlen 1 ). 
Die klare Einsicht in das Wesen der irrationalen Zahlen und die 
rein arithmetische Begründung ihrer Theorie stammen erst aus der 
neuesten Zeit. Zwar war der Unterschied zwischen kommensurablen 
und inkommensurablen Verhältnissen schon den alten Griechen be 
kannt — die Erkenntnis, daß die Diagonale und die Seite eines Qua 
drats zueinander inkommensurabel seien, wird auf Pythagoras zurück 
geführt —; die Auffassung inkommensurabler Verhältnisse als Zahlen 
war aber den Griechen durchaus fremd. Auch Euklid kennt keine 
irrationalen Zahlen; als Ersatz derselben bei der Begründung der 
Ähnlichkeitslehre dient ihm seine Theorie der Verhältnisse (Elemente, 
5. Buch) 2 ). Im Mittelalter operierte man zwar vielfach mit Wurzeln 
(numeri surdi), wußte auch wohl, daß die Wurzeln aus rationalen 
Zahlen im allgemeinen nicht wieder rationale Zahlen seien, stand aber 
doch im großen und ganzen auf dem Standpunkte der Approximations 
mathematik, der für das praktische Rechnen ja auch heute noch voll 
kommen ausreicht (vgl. § 1, S. 292). Den Unterschied zwischen ratio 
können wir leicht aus unserer Definition des Verhältnisses als einer reellen 
Zahl und unserer Definition für die Gleichheit bezüglich Ungleichheit zweier 
reellen Zahlen herleiten. Die beiden Zahlen (21, @) = a und (23, @') = ß haben wir 
nämlich § 1, S. 298 u. 299 dann und nur dann einander gleich genannt, wenn aus 
u ^ — auch stets ß ^ — folgt, wo — irgend einen rationalen Bruch bedeutet. 
Nun ist cc ^ aber gleichbedeutend mit 21^~-@ oder g2I^£)@ und ß^^~ 
gleichbedeutend mit 23 ^ —oder Ebenso ergibt sich aus der von 
uns § 1, S. 299 aufgestellten Definition, daß cc ß heißen soll, wenn wenigstens 
P p 
eine rationale Zahl — angegeben werden kann, so daß gleichzeitig a )> —, 
ß <( “ , die Euklidische Bedingung für (21, @) > (25, @'). 
1) Zur Geschichte der irrationalen Zahlen vgl. den Artikel von Pringsheim 
in der Encyklopädie der Mathematischen Wissenschaften Bd. I, Teil I, Nr. 3 und 
den noch ausführlicheren Aufsatz von Molk in der französischen Ausgabe der 
Encyklopädie. 
2) 0. Stolz (Vorlesungen über allgemeine Arithmetik, Leipzig 1885, I. Teil, 
VI. Abschnitt, auch 0. Stolz und A. Gmeiner, Theoretische Arithmetik, Leipzig 
1902, II. Abteilung, VI. Abschnitt) gibt eine Darstellung der Euklidischen Ver 
hältnislehre in moderner Auffassung und Bezeichnung und begründet darauf 
eine Theorie der irrationalen Zahlen. 
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