Der Sockel ist unbestritten gleichzeitig und für diesen Reiter geschaf⸗
fen. Der Gesimsblock, der wie eine Brücke auf zwei Pfosten ruht, zeigt
durch seinen Schmuck den Weg des Reiters an. Es ist der von Bielen
geträumte Rosenweg durch die Welt. Auffallend ist die Verschiedenheit
der Stützen. Sie deutet eine Gegensätzlichkeit an. Die nördliche ist nack—
ter Stein, die südliche Akanthusblattwerk, in das ein Dämonengesicht
eingearbeitet ist. Hartig sieht in der Blattmaske zu Gunsten seines Kon—
stantin (S. 100 nach Kroeber, S. 38) „allenfalls ein Sinnbild der über⸗
wundenen Antike“, Seelgen (S. 8) eine Anspielung „auf des heiligen
Ludwigs tragisches Ende“. Den Rosenweg und den nackten Tragstein
würdigen beide keiner Beachtung; das Umschlagsbild von Hartigs Buch,
das er selbst (S. 9) als frei erfunden erklärt, verzichtet auf den für eine
Deutung auf Konstantin unbequemen Sockel. Die Gegenüberstellung ist
in der romanischen Symbolik so beliebt, daß sie beachtet werden muß.
Die Verschiedenheit der Stützen des Rosenweges deutet eine Gegensätz⸗
lichkeit an, die nicht übersehen werden kann und darf. Es verschlägt
nichts, daß solche Akanthusgesichter seit der Antike da und dort vorkom—
men. Es handelt sich darum, wärum hier der nackte Fels dem schwachen
Blattwerk entgegengesetzt wird: dort die feste Sicherheit, hier der lau—
ernde Dämon des Verderbens. Nicht die Beachtung des „Ornamenta⸗—
len“, sondern die Mißachtung ikonographischer Erfahrungen und Re—
geln ist „abwegig“.
Von dem nicht gerade lebhaften, feurigen Pferde des Reiters meint
Hartig (S. 100); „Dem Meister erschien die Darstellung des springen—
den Pferdes (wie es einem Reiter aller Reiter gebührte) entweder zu
schwierig (hätte er es doch der Werkstätte zugewiesen!) oder für den
kirchlichen Zweck nicht angemessen“. Wenn Hartig (S. 101) doch zugibt,
das Reiterdild sei ursprünglich für eine Aufstellung außerhalb der
Kirche bestimmt gewesen, draußen hätte es doch ungehindert springen
dürfen. Hat es aber der Reiter (nach Seelgen, S. 7) „zur Todesfahrt“
dbestiegen, dann hat es keine Eile. Wir könnten das etwas zaghafte Pferd
symboͤlisch ausdeuten als Totenroß, das den Reiter wie Theoderich in
Veronga ins Verderben trägt. „Auf stolzem Rosse“ (Seelgen, ebendahj ist
eine Redensart wie „Auf's Roß kommen“. „Vom hohen Roß herab die
Leute anherrschen“ Das Reiten auf einem edlen Pferde war Vorrecht
der Vornehmen und in der Symbolik die Darstellung des Hochmutes
und Stolzes. Herrad von Landsperg läßt die Superbig auf dem Pferde
reiten; im Domchor zu Magdeburg stürzt der stolze Jüngling mit sei—
nem Pferde, „der Hochmut kommt zum Falle“. Wir, hätten demnach
solche Beispiele für die Erklärung des Reiters als einer symbolischen
Darfstellung der stolzen Herrlichkeit und der Vergangenheit der Welt
Ausbeuten können.
In einem Nachtrag (S. 178) will Hartig auch den Reiter in Zürich
mit dem „Reiter aller Reiter“ Konstantin zusammenbringen. Diese in
das Gemäuer eingebaute und an Ort und Stelle ausgehauene Stein⸗
plastik befindet sich 22 Meter hoch am dritten Geschoß des Rupertustur—
mes von Großmünster. Das ist der nördliche, nicht der südliche Turm,
wie fälschlich im Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte von Otto
Schmitt, Stuͤttgart, unter Biloͤhauer“, Spalte 597, unten, zu lesen ist.
Hartig kennt doch wohl die gründliche Arbeit Hans Wiesmann, Das
Broßmünster, J. Die romanische Kirche, Zürich, 1937. Da hätte er Auf—
schluß finden können, „ob Zürichs Großmünster bzw. seine Stiftsherren
eine Ausnahmestellung genossen“. Nie wurde im Gegensatz zum süd—
lichen Karlsturm von einem Konstantinsturm gesprochen. Der Karls—
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