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Vorrang vor allen Dingen hat. Denn Eines ist das
Seiende, Gute und Wahre, und das Wahre, das Seiende
und das Gute sind ein und dasselbe. * 2 3
cum entitate, bonitate, unitate, quae ñeque contracta est ñeque
contrahibilis. — Br. „de Deo seu mente“ G. 474. Absolute igitur et sim
pliciter verum et veritas esi Deus seu meus.
2) Wahrheit ist das gewordene Sein, die Wirklichkeit, essentia
(materia contracta), in den italienischen Schriften cosa. cf. Summa
terminor. 1. c. — „secundo contrahibilis, nempe ipsa essentia, qua
aliquid verum dicitur et cujus privatione aliquid dicitur falsum“.
3) subjektive Wahrheit: Erkenntnis, cognizione. Die letztere
hat zum Gegenstand die zweite und vermittelst dieser vermag sie die
erste nur wie „in einem Spiegel“ zu reflektieren.
Die erstere, Gott., ist der direkten Erkenntnis des endlichen Geistes
entrückt, Gott ..wohnt in einem Lichte, dazu niemand kommen kann",
in diesem Punkt denkt Bruno contradiktorisch verschieden von Spinoza,
als dessen blosser Vorläufer er manchmal angesehen wird (cf. Spinoza,
Ethik II, 1. 47), woselbst der „Weise von Amsterdam“ sagt: „Die mensch
liche Seele hat eine adäquate Kenntnis von dem ewigen und unendlichen
Wesen Gottes“. Die indirekte Erkenntnis aber lehrt uns, dass die oberste
Wahrheit das „Eine“ ist, nicht ein totes, sondern ein lebendiges Sein,
ein Auge, das zugleich Licht ist. oder, wie Anaxagoras von Zeus sagt:
„.Ganz Auge, ganz Wahrnehmung, ganz Ohr“,
ovAog ó qu, ovÄog dé vosi, ovÁog dé r auovei.
Die Wahrheit in diesem Sinne ist zugleich die absolute Güte und
die absolute Schönheit, also eine Dreieinheit des Wahren, Guten, Schönen,
welche drei Attribute am besten in dem theologisch viel missbrauchten
Worte „Heiligkeit“ zusammenzufassen sind.
Jeder Versuch, eine wahre, edlere Ethik wissenschaftlich zu
begründen, muss nun die Basis derselben notwendig in das Weltfundament
selbst, in eine ewige Wahrheit zu verlegen suchen. Das anzuerkennen
hat sich zu meiner Freude neuerdings selbst ein durchaus vom modernen
Positivismus oder gar vom Feuerbach’schen Materialismus ausgegangener
„Wirklichkeitsphilosoph“ wie Dühring genötigt gesehen, und die Begründung,
die er dafür giebt, scheint mir als klassische Formulierung dieses Axioms
der Ethik gelten zu können, cf. Dühring, Ersatz der Religion durch
Vollkommeneres. 1883. p. 160,161. „Zunächst muss man sich im Gegen
satz zu den kahlen Weltauffassungen dazu entschliessen, das Moralische
im Grunde der Dinge selbst anzuerkennen. Sittliche und nicht sittliche
Weltauffassungen unterscheiden sich nicht etwa dadurch, dass in der
Ordnung des Menschlichen das eine Mal eine gute Moral als Mass
vorausgesetzt, das andere Mal hintangesetzt wird, sondern vornehmlich
durch die Erkenntnis oder Leugnung der moralischen Fundamente im
letzten Grunde der Gesamtwelt. — — Wird nicht das Fundament der
Dinge selbst als einig mit dem edleren moralischen Typus vorausgesetzt
und auch thatsächlich demgemäss befunden, so hört alle Bürgschaft für
die Nachhaltigkeit der edleren menschlichen Antriebe auf. Ein Mensch,
der Freiheit, Vertrauen, Gerechtigkeit und Treue als sittliche Erfordernisse
jedes Wesens ansieht, welches er achten und mit welchem er auf gleichem
Fuss verkehren soll, müsste sonderbar berührt werden wenn ihm
zugemutet würde. im letzten Grunde aller Dinge Despotismus,
Unzuverlässigkeit. Ungerechtigkeit und gleichsam Verrat anzunehmen.
Ein solcher Grund der Dinge wäre nichts als eine Art Teufelei."