Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Teil III. 
Die anorganische Welt im Kartenbild. 
(Der natur- und kulturhistorischen Karte oder der physischen Karte I. Teil.) 
A. Die lithosphärisch (und hydrographisch) bedingten Karten. 
i. Bausteine und allgemeine Richtlinien für naturhistorische Karten. 
102. Wesen und Aufgaben der naturhistorisehen Karten. Man kann sich vor 
stellen, daß in Jahrhunderten oder Jahrtausenden der Zeitpunkt eintritt, wo die 
Erde mit topographischen Karten gesättigt ist, abgesehen von den Karten, die hei 
gleichbleibendem Grundgefüge ständig auf dem Laufenden zu halten sind, aber 
nicht kann man sich denken, daß dem Tätigkeitsgebiet der angewandten Karte, so 
weit sie physische oder kulturhistorische Phänomene darstellt, Grenzen gezogen 
sind. Die topographische Kartographie ist endlich, die angewandte Kartographie 
unendlich. 1 Dieser gewaltige Unterschied liegt in den Bausteinen und in den Richt 
linien begründet. Dort sind sie terrestrisch, d. h. in der dinglichen Erfüllung der 
Erdoberfläche begründet, hier herrscht die Idee. Wie sich, solange es menschliche 
Wesen auf Erden gibt, im Reiche der Musik und der Poesie trotz einer für mensch 
liche Begriffe beschränkte Anzahl von Tönen und Worten immer wieder neue Melodien 
und neue Lieder für Geist und Ohr formen, wie unendlich mannigfaltiger sind die 
Ideen tätig, Geist und Auge mit Neuschöpfungen zu überraschen. Dort haben wir 
wesentlich Zeitvorstellungen, die einander folgen, hier hauptsächlich Raumvor 
stellungen, die komplexer Natur sind. Mit dieser hat es die Kartographie zu tun 
und wiederum in ganz hervorragendem Maße die angewandte Karte. 
Sich über Wesen und Bedeutung der Naturphänomene klar zu werden, hat 
seit Menschengedenken den menschlichen Geist beschäftigt. Dazu brauchte er Wort 
und Schrift. Aber sie genügten nicht ganz. Die Karte trat ergänzend hinzu. „Kein 
Eindruck haftet dauernder als derjenige, welcher unmittelbar aut unsere Sinne wirkt; 
so auch graphische (sc. kartographische) Darstellungen, die uns die Phänomene der 
physikalischen Geographie übersichtlich vor Augen legen. Sie bringen das erst 
gleichsam ins Leben, zur lebendigen Anschauung, was in der schriftlichen Darstellung 
oft als toter Buchstabe verborgen liegt.“ 1 2 Diesen Worten von H. Berghaus möchte 
ich die von J. Spörer anfügen: „Nichts ist geeigneter, die Gesamtverhältnisse der 
1 Der obige Satz ist bei seiner Kürze natürlich cum grano salis zu verstehen. — Vgl. auch 
das, was über die angewandte Kartographie oben S. 126, 127 gesagt worden ist. 
2 H. Berghaus: Allg. Länder- u. Völkerkunde. Nebst einem Abriß der physikal. Erd 
beschreibung. I. Stuttgart 1837, S. VII.
	        
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