Full text: Die geistige Botschaft romanischer Bauplastik

„Welches Bild,“ fragt Hartig, „blieb im ganzen Dome übrig, um sich 
ine Vorstellung von dem Heiligen (Stephan) zu machen... da sonst 
im Dom kein Siephansbild nachzuweisen ist?“. „Die örtliche Ueberlie— 
ferung sah denn auch in dem Reiter nie etwas anderes als einen Hei— 
ligen und zwar König Stephan von Ungarn.“ „Es ist der neue Konstan— 
tin des Ostens“... „den die Heiligsprechung seiner Stammesart ent— 
kleidet und Bamberg zu dem Unsrigen gemaäacht hat.“ 
Nach diesem bestimmten und entschiedenen Eintreten sfür Stephan 
überraschte uns Hartig mit einem inhaltsreichen Buche: „Der Bamber— 
ger Reiter und sein Geheimnis; ein Beitrag zur Joͤeologie der hoch— 
mittelalterlichen Reiterdarstellungen ...“ C. C. Buchners Verlag in 
Bamberg. Hier wird der Reiter zum Konstantin dem Großen, dem Rei⸗— 
ter aller Reiter (S. 62) und „erhält die höchste Würde, die das Mittel— 
alter zu vergeben hatte“ (aus der Empfehlung des Verlags). Aus dem 
Vorwort des Verfassers sei entnommen: „In die Reihe der großen 
Reiterdarstellungen nicht nach kunsthistorischen, sondern nach weltge— 
schichtlichen Gesichtspunkten den Bamberger Reiter zu stellen, das ist 
der Zweck dieses Buches“ (S. 7). Damit sind wir unterrichtet über die 
Absicht des gelehrten Verfassers, dem Vielgetauften endlich den ihm ge— 
bührenden Namen zu verschaffen, „den Namen, den er von Anfang an 
hatte (—! und der allein sein Dasein zu erklären vermag“, und zwar 
nach gewissenhafter Prüfung... der ikonographischen Gesetze“ (S. 113). 
Es hätte erwartet werden dürfen, daß ein ikonographischer Beweis 
vom Bilde her, von seinen Andeutungen ausgehend geführt werde. 
Weil aber solche Andeutungen auf Konstantin dem Bildwerke vollstän— 
dig fehlen, gibt Hartig dem Meister des Kunstwerkes ohne Gleichen die 
unbeschränkte Freiheit, sich um das Thema Konstantin gar nicht zu 
kümmern: „Ueber Gestalt und Haltung brauchte sich ein Künstler von 
diesem Range nicht lange den Kopf zu zerbrechen.“ So stünde auch uns 
die Freiheit zu, in das Bild hineinzudeuten, was uns gefällt und den 
wehrlosen Reiter ohne Personalausweis umzutaufen, so oft uns eine 
noch endgültigere Lösung des Rätsels einfällt. Auf Andeutungen in 
und an dem Bilde könnten wir ja leicht verzichten. Sehr gut, besser als 
die ikonographischen Ausführungen des Buches, gefällt der Abschluß 
des Kapitels über die Unmöglichkeit, den Reiter mit einem der deut— 
schen Herrscher zusammenzubringen (S. 19): „Man kann versichert sein, 
daß bei dem reichlich vorhandenen Platze um das Denkmal früher oder 
später eine entsprechende Inschrift angebracht worden wäre, wenn man 
einen von den Genännten im Gedächtnis hätte fortleben lassen wollen.“ 
Eine solche Inschrift wäre auch für das Denkmal eines Konstantin recht 
wünschenswert, um den „Reiter aller Reiter“ vor dem Verluste seines 
Namens für alle Zukunft zu schützen. Doch auch nach Hartigs „wieder— 
holtem Verfuch auf diesem Gebiete“ dürfte die Anbringung einer In— 
schrift im Sinne seiner These verfrüht sein (vergl. S. 31, Hartig). 
Im gleichen Monat, in dem das Buch Dr. Hartigs erschien, tritt in 
der Monatsschrift „Deutscher Kulturwart“, Oktober 1939, Verlag Bit— 
ler, Recklinghausen, Dr. Th. Seelgen mit weniger umfangreichen, aber 
ebenso stimmungsvollen und überredenden Ausführungen für einen 
bisher ganz übersehenen, äußerst sympathischen Taufnamen ein, der 
unserm Reiter alle Ehre machen könnte. Der Titel seines Beitrages 
lautet: „Der Name des Reiters“. 
Seelgen kennt Hartigs Konstantin-Vorschlag natürlich noch nicht. 
Er findet die Frage nach der durch den Reiter dargestellten Person nach 
Jahrzehnte langem Räiselraten noch offen (S. 2). Er beschränkt das 
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