Full text: Die geistige Botschaft romanischer Bauplastik

Gebiet der Möglichkeiten auf entweder einen Heiligen, eine biblische 
Gestalt oder einen Stifter. Die Annahme einer symbolischen Personifi— 
kation, die am Ende gar „die Herrlichkeit der Welt“ in der vollendetsten 
Erscheinung eines hochgemuten Ritters und Fürsten vorstellt, kommt 
für Seelgen nicht in Betracht, auch nicht ein Zweifel, ob die Reiterfigur 
ursprünglich für den Innenraum der Kirche bestimmt war. Er sücht 
nun (S. 8) „einen Fürsten, der zur Zeit des Bildauftrags schon gestor— 
ben, aber kaum 30 Jahre alt war, von hoher Schönheit der Gesichtszüge 
und ebenmäßiger Körpergestalt“ (S. 3). „Ein entscheidendes Kennzei— 
chen des Reiters ist die Krone, die er trägt“ (S. 4). „Beachten wir die 
auffallende Tatsache, daß der Reiter eine Krone mit nur zwei großen 
Zacken (rechts und links) trägt. Die linke Zacke ist abgebrochen. Dieser 
Umstand führt uns auf eine bestimmte Spur. Der Reiter trägt die 
Krone der Landgrafen von Thüringen. Das Thüringer Landgrafen— 
wappen (nach Siebmachers Wappenbuch) zeigt eine Krone mit zwei 
großen Zacken (rechts und links), denen zwei kleine (vorn und hinten) 
entsprechen.“ Daraus folgert Seelgen, „daß der Bamberger Reiter 
einen der Landgrafen von Thüringen darstellt, und das kann kein an— 
derer sein als Ludwig IV., der Heilige, der Gemahl der hl. Elisabeth.“ 
Eine ikonographische Beurteilung dieser Krone vorläufig zurück— 
stellend, soll zunächst dem Zweifel Ausdruck gegeben werden, ob diese 
sehr beschädigte Krone nicht doch ursprünglich vier große Zacken besaß 
wie die zahlreichen Kronen der Bildwerke des SVomes innen und 
außen. Die Bruchstelle der vorderen Zacke könnte bei einer Ueberarbei— 
tung abgeschliffen, ausgeglichen worden sein. Das Reiterstandbild 
könnte aber auch vor 1227, also vor dem Tode Ludwigs und seiner Auf— 
bahrung im Bamberger Dom schon für einen anderen Ort und andere 
Bildabsicht Wtig gestellt gewesen sein. Um an der Nennung festzube 
ten, könnte Seelgen ja behaupten, Bischof Ekbert, der Erbauer des Do— 
mes, Onkel der hl. Elisabeth habe, um Ludwig ein Denkmal zu stiften, 
am vorhandenen Reiter die für einen Thüringer überflüssigen Kronen— 
zacken abnehmen lassen und den Reiter zum erstenmal umgetauft. Las— 
sen wir Seelgen das Wort (S. 6, f.): „Aus seelischer Erschütterung her— 
aus mag Ekbert auf den Gedanken gekommen sein, den Meister mit der 
Schaffung eines Standbildes zum Andenken an Ludwig zu beauftra— 
gen. Und wie konnte man einen Fürsten, der als Kreuzfahrer auf stol— 
zem Rosse zur Todesfahrt ausgeritten war, besser verewigen, als durch 
ein Reiterbild?... Nach diesen Üüberlegungen kann man eine innere 
Wahrscheinlichkeit für die Identität zwischen Ludwig und dem Bam— 
berger Reiter nicht mehr bestreiten. Sie gehören untrennbar zusam— 
men. 
Schade, daß es Ekbert nicht eingefallen ist, eine lesbarere Inschrift 
am Denkmal anzubringen als die sonderbare Ornamentik am Sockel, 
die nicht aussieht wie eine Spielerei der Künstlerlaune. 
„Nach gewissenhafter Prüfung der ikonographischen Gesetze“ kommt 
Hartig zu dem Urteile: „Die symbolischen Deutungen bieten keinen Er— 
satz.“ Ersatz für eine Taufe des Reiters auf den Namen einer geschicht⸗ 
lichen Größe bietet eine ernstliche ikonographische Arbeit freilich nicht. 
Die Erfahrung lehrt, daß man sich auf Abbildungen nicht immeér ver— 
lassen kann. Die Bildwerke sind genau und öfters anzufehen, die Be— 
hauptungen daran nachzuprüfen. Was im und am Bilde in keiner Weise 
angedeutet ist, kann nicht hineingedeutet werden. Was wir aber nicht 
verstehen, ist deswegen nicht sinnlos. Das wären ikonographische Ge— 
setze. Besprechen wir noch ikonographische Einzelheiten der beiden vor— 
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