Die Burgkapelle St. Margaret
Der „Heidenturm“, der den Palas der Kaiserburg nach Osten schützt,
ist auf seiner Ostseite mit einigen Konsolen geschmuͤckt, auf denen zum
Teil noch Steinfiguren stehen, die fast bis zuͤr Unkenntlichkeit verwit—
tert sind. Unter einem Rundbogenfries ruhen zwei Löwen auf Sockeln,
die Wächter, die nach alter Meinung ihre Augen Tag und Nacht offen
halten. Weiter unten stehen die Gestallen Heinrichs I. und seiner Ge—
mahlin Kunigunde.
In seinen zwei unteren Stockwerken birgt dieser Turm die Apsiden
der geosteten Doppelkapelle St. Margaret. Die untere Kapelle zeigt
schwere Formen und macht düsteren Eindruck; die obere ist höher und
heller. An das von vier Säulen gestützte Langhaus ist ohen und unten
eine niedere Vorhalle angefügt; uüͤber der dberen öffnen sich zwei Rund—
bogen zum kaiserlichen ODratorium. Ein Tor ins Freie ist an der Nord—
seite der unteren Kapelle; zum Palas führen Zugänge an der West⸗
wand. Wie die Bauanlage der beiden Kapellen, so ist auch der Charakter
des Ornaments im wefentlichen der gleiche.
Symbolikinderunteren Kapelle
Im Raunviereck der geosteten Kapelle ist die südöstliche Säule
für Osten anzusprechen, entsprechend stehen die anderen Sauten
im Süden, Westen und Nordeu. Osten und Süden gehören dem Licht,
eben und Hinmelreich Westen und NRorden fagen von Nacht, Tod,
Gericht und Hölle. Beim ersten Blick auf die massigen Rundsäulen fälli
die Verschiedenheit der plastischen Behandlung ihrer Kapuelle auf. Diese
Unterscheidung verrät die Absicht einer Inhaltsandeutung, die durch
Beachtung der Himmelsrichtung ermöglicht wird.
Die östliche Säule
Das Kapitell zeigt an jeder Ecke einen Adler mit ausgebreiteten Flü—
geln, also flugbereu. Da kein Unterschied angedeutet ift, bezeichnet die
Vierzahl eine Mehrzahl, Menge von Adlern. In der christlichen Sym—
bolik ist der Adler Siunbild der Auferstehung und Anzeichen des Ge—
richts, mit Bezug auf die in der Weltgerichtsverheißung vorkommende
Stelle: „Wo ein Aas ift, da versammeln sich die Adͤler“ Matth. 24, 28).
hier, mit Beziehung auf Osten, kann es sich nur um die Auferstehung
zum Leben, zum guten Gerichte handeln. Die Adler sind noch in Bereit
schaft; Auferstehung und Gericht sind noch nicht vollendei. Der Eingang
ins Himmelreich ist dem leiblichen Menschen noch nicht geöffnet. Das
bedeutet das dreisträhnige Strickwert in einfacher Umschlingung an der
Schräge zur Deckplatie, nämlich Abschließung. Va die drei anderen Säu⸗
len des uünteren Kapellenraumes dieses Strickwerk nicht haben, muß es
hier für das östliche Kapiteü besondere Bedeutung haben. Es begegnet
wieder an den Deckplatten aller dvier Säulenkapitelle in der oberen Ka—
pelle. Stricke, Schnüre umfriedigten Gerichtsplätze, fie sperren ab. Man
kann annehmen, daß den Adlern der Aufflug noch verwehrt ist, oder daß
der Eingang ins Himmelreich versperrt ift. Noch ist die Ankunft Chrifti
zu erwarten. Diese in der romanischen Kunst überaus oft wiederholien
Adler, meist an der Westseite, mahnen zur Bereitschaft; hier sind fie im
Osten wegen einer Gedankenreihe, die sich aus dem Folgenden ergibt.
Die sfüdliche Säule
Dieses Kapitell ist unvollendet, an seiner südlichen Seite und am
Abakus überhaupt fehlt das Ornaiment. An drei Seiten trägt das Kapi—
tell aufstehendes. breites, aber wenig ausgearbeitetes Blaͤttwerk. das