Full text: Reformation des Himmels

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wissheit, dass sie sich trotz öffentlicher Verleugnung allmählich 
und unvermerkt ausbreiten werde, wie eine ansteckende Krank 
heit ; er erinnert an Galilei, der es über sich vermocht habe, 
ohne jeden Nachteil für diese Wahrheit, die Bewegung der 
Erde um die Sonne abzuschwören, wenn es ihm gleich zwischen 
den Zähnen knirschte: e pur si muove 1 ), und in Gegensatz zu 
diesem verstandesnüchternen Physiker bezeichnet er als einen 
unbesonnenen Schwärmer den für seine „unbeweisbare“ Philo 
sophie am 17. Februar 1600 zu Rom als Ketzer verbrannten 
Giordano Bruno. 
Über diese geistreiche Frivolität könnten wir zwar mit 
der einfachen Erinnerung hinwegschreiten, dass es ja nicht 
nur dieselbe, von Bruno lange vor Galilei erfasste, sondern 
gar eine weit inhaltreichere zur Zeit exakt erwiesene Natur 
erkenntnis gewesen ist, als deren Blutzeuge dieser angebliche 
Schwärmer den Eigenwillen zeigte, sich zu opfern. Allein zur 
Würdigung der folgenden Lebensskizze ist es vielleicht dienlich, 
auf einen tiefer wurzelnden Gegensatz zwischen Galilei - Renan 
und Bruno, zwischen blossem Wissen und philosophischer 
wissenschaftlicher Gesinnung hinzuweisen. 
Ein allgemeines Vorurteil bestimmt dem Leben eines 
Philosophen ein unveräusserliches Recht auf beschauliche Ruhe 
und Friedlichkeit; sein Reich soll nicht „von dieser Welt“, 
soll hoch über dem Kampfplatz des streitsüchtigen „Willens“ 
im reinen kalten Äther des „Intellekts“ belegen sein. Das 
ungestörte Einsiedlerleben grosser Denker wie Spinoza, Kant 
und Schopenhauer scheint diesem Vorurteil recht zu geben. 
Und doch entspringt es einem halben, einem falschen Begriff 
von Philosophie. Denn Philosophie heisst nicht blosses Wissen, 
sondern Liebe zum Wissen, Liebe zur Wahrheit und Weis 
heit. Und wenn es, wie Byron einmal gesagt hat, viele Dichter 
gegeben hat, die keinen Vers geschrieben, so haben nicht 
minder auch Philosophen gelebt, die Weisheit weniger gelehrt,' 
als gelebt haben. Wo aber die Wahrheit als „intellektuelle 
Liebe“ nicht nur vom Hirn, sondern auch vom Herzen Besitz 
ergreift, da wird es leicht um so ein bequemes Gelehrtenleben, 
b „Und sie bewegt sich doch.
	        
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